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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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machte sie so verrückt, dass sie das Geld am Ende behielt. Trotzdem war sie unsicher, ob sie mich irgendwie beleidigt hatte.
    Ich nahm alles mit hoch auf die Felsen, fand einen bequemen Platz, setzte mich, klappte die Pizza zusammen und biss rein, während ich aufs Meer schaute. Mozzarella lief mir über die Finger, ich leckte sie ab, damit es nicht tropfte. Dann aß ich die Kroketten, wusch mir die Hände im Wasser und rieb sie kräftig, bevor ich sie an der Hose abtrocknete.
    Während ich den Rest Bier trank, beobachtete ich die Lampen der Fischerboote. Einige fischten ganz nah am Strand nach Oktopus. Andere waren weiter draußen und kaum zu erkennen, die waren hinter Kalmaren her. Im Dunkeln hörte man das Geräusch eines Motorboots, aber wo es langraste, sah man nicht. Das Leuchtfeuer blinkte gleichmäßig und beruhigend wie ein Schlaflied.
    Mir fiel Sarah wieder ein. Wer weiß, was sie an den Sommerabenden so gemacht hatte. Vielleicht war sie manchmal auch am Meer spazieren gegangen. Oder sie hatte ein Eis auf der Mole gegessen und das Leuchtfeuer oder die Lampen der Fischerboote beobachtet.
    Manchmal kommen dir irgendwelche Gedanken, und du weißt nicht, woher. Als hätten sie keine Bedeutung, als wären das Phantasien ohne Sinn und Verstand. Aber wenn du solche Gedanken hast, werden sie wohl auch irgendwas bedeuten.
    Sarah auf der Mole, wie sie aufs Meer schaut, Eis isst und nachdenkt. Über das Gute und das Schlechte. Über die Liebe und ihre Zukunft. Über das Leben.
    Und während Sarah so nachdachte, wurde es Mitternacht. Ich stand auf, nahm die leere Dose und das Papier, stopfte alles in die Plastiktüte und schmiss sie in die erste Mülltonne, an der ich vorbeikam.

22.
    Um nach Torre del Greco zu kommen, nahm ich erst mal die Straßenbahn zum Bahnhof. Weil die Vesuviana schon nicht mehr fuhr und der Nachtbus Verspätung hatte, zog ich zu Fuß los. Keiner mehr auf der Straße, nur ab und zu ein paar arme Schweine auf dem Gehsteig mit ihren Kartons. Und ein Junge, der von einer Kabine aus telefonierte. Gut zwei Kilometer lief mir ein Hund nach, der vielleicht drauf hoffte, dass ich was zu essen für ihn hatte.
    Bevor der Nachtbus kam, war ich beinahe in Portici angekommen. Meine Füße waren tonnenschwer, und ich konnte kaum noch aus den Augen schauen, so fertig war ich. Aber wenigstens hatte mir die Müdigkeit den Kopf zugedröhnt, und als ich mich aufs Bett warf, war ich innerhalb von zwei Minuten weg.
    Am nächsten Morgen machte ich mir Kaffee und hörte Radio, statt den Fernseher anzustellen. Die spielten irgendeine Geigenmusik, du hast direkt Lust bekommen zu tanzen. Ich hüpfte zu den Geigen hin und her und trat dabei gegen den Schrank mit den Tellern, der beinahe zusammengekracht wäre. Als der Kaffee fertig war, tunkte ich Kekse rein. Ich war noch nie allein zuhause gewesen und hätte nie gedacht, wie schön das sein kann, diese Ruhe mit ein bisschen Musik dazu. Gleich nach Ferragosto wollte ich mir zwei Tage freinehmen und eine eigene Wohnung suchen. Ich hatte den Job, das Gehalt war sicher, warum nicht? Natürlich waren der gedeckte Tisch und die gebügelte Wäsche bequem. Und die Tatsache, dass dich jemand zuhause erwartet, ist ab und zu auch ganz nett. Aber nichts gegen die Freiheit, sich in den Sessel werfen zu können, ohne reden zu müssen. Und wenn es nur für einen Monat war, aber ausprobieren wollte ich es. Natürlich würde ich Mamma trotzdem besuchen. Aber nicht immer. Nur ab und zu, wenn ich Lust hatte. Ein bisschen quatschen, zusammen essen, ohne Zwang.
    Die Musik war vorbei, jetzt kamen Nachrichten. Wieder zwei Politiker aus Neapel wegen Schmiergeld verhaftet. Dann war der Mord aus der Via del Parco Mastriani dran. Sie berichteten, dass der Exfreund von Sarah freigelassen worden war, dass der Täter vielleicht ein Penner wäre und dass die Polizei nicht in der Lage war, für Sicherheit in der Stadt zu sorgen.
    Wenn das der Präsident hörte! Bestimmt hatte der schon zehnmal angerufen. Auf jeden Fall würden sie uns diese Geschichte unter die Nase reiben. Die Stadt kriminell, erst ein Mörder aus der Sanità, jetzt ein Penner – fehlte bloß noch, dass die Camorra ihre Finger im Spiel hatte.
    Nach der Via del Parco Mastriani kam wieder Musik. Ein paar Minuten Geigen, dann sagten sie, dass das Wetter sich änderte und die Hitze in ein paar Tagen vorbei ist.
    Aber noch hatte uns der Scirocco fest im Griff, aus dem Hahn tröpfelte es nur, ich brauchte eine Ewigkeit, um mich zu

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