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Sarg-Legenden

Sarg-Legenden

Titel: Sarg-Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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einfach. Ich möchte von Ihnen wissen, was in Ihrem Heimatdorf abläuft. Warum wollen Sie, daß mein Freund Bill Conolly dort nicht nachforschen kann? Was haben Sie zu verbergen, O’Leary? Was ist so schlimm, daß man Sie nach London schickt, um in Sheila Conolly ein Druckmittel gegen ihren Mann zu haben?«
    »Ich will noch was trinken.«
    Das Glas war nicht leer. So gab ich ihm einen Schluck. O’Leary leckte die letzten Tropfen von seinen Lippen, schluckte sie und sagte mit leiser Stimme: »Man soll die Toten ruhen lassen…«
    »Dafür bin ich auch. Aber es kommt auch vor, daß die Toten gar nicht ruhen wollen.«
    Er sagte nichts.
    »He, wollen Sie jetzt stumm wie ein Fisch bleiben?«
    »Man soll uns in Ruhe lassen.«
    »Und die Toten, wie?«
    »Ja.«
    »Was ist mit den Toten? Was geschieht auf dem Friedhof, auf dem die Kilrains begraben liegen? Wie lange liegen sie schon dort?«
    »Unterschiedlich. Der letzte starb vor knapp zehn Jahren. Er hat allein in seinem Schloß gelebt. Wir haben ihn begraben.«
    »Lebt er trotzdem?« fragte ich.
    O’Leary senkte den Kopf. »Das weiß ich alles nicht.«
    »Aber man nimmt es an.«
    »Ja.«
    »Warum? Was ist der Grund für diese Annahme? Es muß ihn gegeben haben.«
    »Manchmal reden die Toten.«
    »Haben Sie das gehört?«
    Er schüttelte den Kopf und sprach flüsternd weiter. »Nicht ich, aber andere. Die Toten stehen direkt vor einem Vollmond, und in den hellen Mondnächten hört man ihre Stimmen über den Friedhof wispern. Uns lassen sie in Frieden, und wir wollen auch, daß man uns in Frieden läßt. Es ist unser Geheimnis. Fremde sollen daran nicht rühren. Das wollen wir einfach nicht. Verstehen Sie das nicht? Wir wollen für uns bleiben und mit den Toten leben.«
    »Nur bei den Kilrains passiert dies?«
    »Ja.«
    »Wer sind oder wer waren sie?«
    »Die Herrscher. Das schon seit altersher. Sie haben alles bestimmt, was in der Gegend geschah. Die Kilrains waren eine sehr mächtige Familie, aber sie starben aus und wurden alle auf dem kleinen Friedhof begraben. Mehr kann ich auch nicht sagen. Jeder bei uns hat sich damit abgefunden.«
    »Wenn die Toten reden, was tun sie noch?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Bleiben sie in ihren Gräbern oder kehren sie aus dem feuchten Erdreich zurück?«
    O’Learys Kopf ruckte in die Höhe. Entsetzt starrte er mich an. Sich vorzustellen, daß die Toten aus ihrem kalten Reich zurückkehren könnten, ließ ihn erschauern. »Ich habe nichts gesehen.«
    »Andere denn?«
    »Das weiß ich nicht«, flüsterte er. »Alles ist so schrecklich, verstehen Sie? Immer wenn der Vollmond scheint, werden sie wach, dann kann man ihre Stimmen hören. Sie unterhalten sich von Sarg zu Sarg. Es sind die alten Legenden, von denen sie sprechen. Das erzählt man sich bei uns. Sie tun uns aber nichts. Sie lassen uns in Ruhe, und deshalb wollen auch wir in Ruhe gelassen werden. Wir brauchen keine Fremden, die nur herumschnüffeln. Sie können alles nur schlimmer machen. Wie auch dieser Conolly und der Fotograf.«
    »Was haben sie denn so Schlimmes getan?« fragte Sheila.
    »Sie… sie… waren auf dem alten Friedhof. Sie haben ihn geschändet.«
    »Hören Sie auf. Wenn jemand einen Friedhof betritt, schändet er ihn nicht gleich.«
    »Dort schon.«
    »Warum?«
    O’Leary wand sich. »Man muß ihnen ihre Ruhe lassen. Die Totenruhe darf nicht gestört werden.« Seine Augen weiteten sich jetzt. »Wenn das geschieht, dann kehren sie wirklich zurück und nehmen fürchterliche Rache. So weiß ich es.«
    »Wer hat Ihnen das denn gesagt?«
    »Man erzählt es sich.«
    Ich mischte mich wieder in das Gespräch ein und fragte: »Was wissen Sie noch über die Kilrains? Es muß einfach etwas geben. Sie waren doch ein besonderes Geschlecht. Nicht jeder, der tot und begraben ist, unterhält sich mit einer Geisterstimme.«
    »Ich kenne sie nicht.«
    »Auch nicht den letzten Kilrain?«
    »Nein, so gut wie nicht. Er ist kaum nach Trimball gekommen. Er blieb in seinem alten Schloß. Er war ein Einsiedler. Die Leute haben gesagt, daß er sich auf seinen Tod vorbereitet, und so ist es auch geschehen. Er ist sogar in seinem Sarg gestorben, denn dort wurde er gefunden. Vor seinem Tod hat er zwei Leuten aus dem Ort Bescheid gegeben und sie auf das Schloß kommen lassen. Sie fanden den Sarg, in dem Kilrain lag. Er lebte nicht mehr.«
    »Wie kam er denn um?«
    Buck O’Leary zuckte die Achseln. »Das weiß niemand von uns. Er war tot, er hat nicht mehr geatmet. Er hat nicht mehr gelebt.

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