Sarum
starb, wurde auch sein Gebiet neu aufgeteilt. Die nördliche Hälfte seines Reiches wurde in ein Verwaltungsgebiet umgeformt, das sich über Sorviodunum hinweg bis nach Aquae Sulis erstreckte. Die neue Hauptstadt hieß Venta Belgarum. Auf diese Weise wurden zu Beginn der Flavier-Dynastie die Städte Dorchester und Winchester gegründet.
Diese Provinzhauptstädte waren wichtig: Jede wurde von einem einheimischen Rat geführt, dem ordo, der sich aus den einflußreichsten ansässigen Männern zusammensetzte. Das Oberhaupt wurde von Magistraten gewählt und erhielt die begehrte römische Staatsbürgerschaft; auf diese Weise wurden die früheren Gegner des Imperiums hofiert und in die imperiale Kultur und Regierung eingegliedert. Nachdem Tosutigus beinahe dreißig Jahre übergangen worden war, erhielt er endlich die ersehnte Anerkennung. Eines Tages, als die Familie gemeinsam in der Villa saß, kam ein persönlicher Bote des Statthalters den Weg heraufgeritten und bat höflich um eine Unterredung mit dem Stammesoberhaupt.
Als Tosutigus, von Porteus und Maeve flankiert, überrascht vor ihm stand, verbeugte er sich tief. »Sei gegrüßt, Stammesfürst Tosutigus«, begann er feierlich. »Der Statthalter entbietet dir seine Ehre. Er hat einen Brief von Kaiser Vespasian erhalten, der sich deiner erinnert. Wie du weißt, wird eine Provinzhauptstadt, Venta Belgarum, gegründet, und du bist eines der Stammeshäupter, deren Ländereien in ihr Gebiet fallen. Der Statthalter hofft, daß du einwilligst, mit in dem ordo zu dienen, und daß du dich bereit erklärst, als erster der zwei Magistraten zu fungieren. Ich brauche nicht eigens zu betonen, daß diese Stellung eine volle Anerkennung der römischen Staatsbürgerschaft mit sich bringt.« Es war endlich soweit: Wenn auch nicht Vasallenkönig, so wurde Tosutigus doch Staatsbürger. Porteus freute sich für ihn.
Da versetzte Tosutigus ihn in Erstaunen. Mit einer tiefen Verbeugung antwortete er: »Überbringe dem Statthalter meine Ehrerbietung, doch teile ihm bitte mit, daß ich mich bedauerlicherweise wegen meiner schlechten Gesundheit nicht in der Lage fühle anzunehmen, sosehr ich mich durch eine solche Gnade auch geehrt fühle.« Er hustete. »Seit kurzer Zeit fühle ich mich nicht wohl«, sagte er, »daher muß ich ablehnen.« Nachher erklärte er seinem überraschten Schwiegersohn den wahren Sachverhalt. »Ich habe von diesen Räten gehört, mein lieber Porteus. Wenn du dazugehörst, bist du für die Instandhaltung der Stadt, für ihre gesamten zivilen und religiösen Feierlichkeiten verantwortlich. Es kann dich ein Vermögen kosten!«
Das war bekannt: Die Ehre, in dem ordo zu dienen, hatte Männer in den Provinzen ruiniert.
»Als ich jünger war, wollte ich römischer Staatsbürger sein«, fuhr Tosutigus fort, »aber da du Römer bist, werden meine Enkel ohnehin Staatsbürger sein. Behalten wir das Geld doch lieber für uns – meinst du nicht auch?«
An diesem Abend öffnete Tosutigus eine Amphore seines besten Weines. »Um die Weisheit eines alten Kelten zu feiern«, erklärte er seinem Schwiegersohn.
Im dritten Jahr seiner Tätigkeit in Aquae Sulis traf Porteus das Mädchen. Es konnte höchstens fünfzehn sein. Während seiner Aufenthalte in dem Badeort bewohnte er ein kleines Haus auf den welligen Hängen, mit Ausblick auf das Lager der Arbeiter. Eine Köchin und zwei Sklaven führten ihm die Wirtschaft. Als einer der beiden Sklaven erkrankte, beauftragte er Numex, einen Ersatz zu finden; am nächsten Tag watschelte dieser mit einem kleinen, dunkelhaarigen Mädchen herein, das er von einem vorbeireisenden Händler gekauft hatte. Er versicherte Porteus, daß sie sauber und fleißig sei. Nach einem kurzen Blick dachte der Römer nicht weiter an sie.
Drei arbeitsreiche Tage vergingen. Eines Abends saß Porteus an seinem Tisch und prüfte Entwürfe für ein Mosaik, das den Eingang zu den Bädern schmücken sollte. Das Mädchen kam herein, um die Lampen anzuzünden; er schaute sie an. Sie wirkte zerbrechlich. »Wie heißt du?« fragte er mit freundlichem Lächeln. »Anenclita«, antwortete sie leise.
Das war ein griechischer Name, aber Porteus sah auf einen Blick, daß sie keine Griechin war. »Dein wirklicher Name – bevor du Sklavin wurdest?« forschte er weiter.
»Naomi.«
»Woher kommst du?«
»Aus Judäa.«
»Und warum wurdest du in die Sklaverei verkauft?« »Meine Eltern waren am Aufstand in Palästina beteiligt. Die ganze Familie wurde von Vespasian in die
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