Sarum
versuchten, fuhr er fort: »Ich werde mich Patricius in Irland anschließen. Ich reise in drei Tagen.«
Der Machtkampf zwischen Petrus Porteus und seiner Mutter dauerte allerdings fünf Tage. Er begann noch am selben Abend. Während Constantius stumm und in sich gekehrt dasaß und Numincus’ graue Augen Petrus flehend anblickten, ging Placidia wohlüberlegt zu Werke. Sie machte sich wegen seiner Bekehrung keine großen Sorgen. Für sie hieß das nur, daß ihr Sohn wieder einmal eine neue aufregende Rolle spielte. Doch sie argumentierte vorsichtig; warum er nach Irland wolle? Er erzählte Einzelheiten über sein Gespräch mit Martinus und seine Träume. Nun stellte sie ihm rasche Fragen. »Verlangt Gott von dir, daß du Sarum verläßt, damit es zugrunde geht? Was wird aus uns? Heißt es in der Bibel nicht, du sollst Vater und Mutter ehren? Willst du uns allein zurücklassen?«
Placidia war darauf bedacht, seine Bekehrung nicht in Zweifel zu ziehen und nicht in Frage zu stellen, daß Gott zu ihm gesprochen hatte. Sie stellte die Erscheinungen nicht in Abrede, lediglich ihre Auslegung. »Wenn Gott dir den Befehl gibt, seine Schafe zu weiden«, wandte sie ein, »wie können wir sicher sein, daß er die irischen meint? Gibt es nicht eine Menge Arbeit für Gott in Sarum zu tun?«
Doch Petrus blieb hart. Als sie ihm vorhielt, daß die Villa zerstört werden könnte, antwortete er leidenschaftlich: »Wir müssen die Stadt Gottes verteidigen, nicht Menschenwerk. Gott wird das Schicksal Sarums entscheiden.«
»Und hat Gott dir im Traum befohlen, enthaltsam zu leben?« bedrängte sie ihn weiter.
Darauf erwiderte er nur: »Ich kenne meine Schwäche. Eine Frau würde mich nur ablenken.«
Sie debattierten bis in die Nacht hinein, und als Placidia die unerschütterliche Entschlossenheit ihres Sohnes sah, begann sie zu ahnen, daß all ihre Hoffnungen zunichte sein könnten. »Du willst also wirklich in drei Tagen reisen?« Er nickte.
An dieser stundenlangen Diskussion nahmen die beiden anderen Männer nicht teil. Schließlich zogen Mutter und Sohn sich in ihre Gemächer zurück.
Am nächsten Tag machte Petrus zwei wichtige Besuche. Der erste ging zur Düne. Er ritt durchs Tor, lenkte sein Pferd langsam am Lager der Germanen vorbei und nahm Richtung auf das kleine Haus, in dem Tarquinus wohnte. Dort hielt er an und rief nach dem Viehhirten. Tarquinus trat argwöhnisch heraus. Petrus kam sofort zur Sache. »Hole Sulis’ Figur aus dem Schrein«, befahl er und deutete auf die Hütte neben Tarquinus’ Haus.
Zögernd tat Tarquinus, wie ihm geheißen.
»Von jetzt ab gibt es keine heidnischen Götter mehr in Sarum«, verkündete Petrus. »Das Götzenbild muß zerstört werden. Gib her!« Tarquinus preßte die kleine Statue fest an seine Brust: »Nein!«
»Ich kann dich dazu zwingen«, drohte Petrus. Tarquinus sagte nichts, lockerte aber auch seinen Griff nicht. Petrus sah den Haß in den Augen des Mannes. »Nun gut«, sagte er kühl, »dann mußt du Sarum verlassen, und zwar für immer. Nimm deine Sachen und geh.«
Wortlos trat Tarquinus ins Haus. Einige Minuten später erschien er mit ein paar Habseligkeiten. Ohne Petrus noch eines Blickes zu würdigen, ging er aus dem Tor, den Pfad hinunter zum verlassenen Sorviodunum und zum Fluß. Er löste ein kleines Boot aus der Vertäuung, stieg hinein und paddelte stromabwärts. Erst als die Strömung das Boot erfaßt hatte und es nach Süden trieb, blickte er sich um und murmelte: »Ich komme zurück, junger Porteus. Und sie auch.« Er streichelte die kleine Steinfigur. »Aber deine Christenaugen werden uns nie mehr sehen.« Als eine kleine Rauchsäule aus der Düne hochstieg, wußte er, daß Petrus sein Haus und den Schrein niederbrannte.
Einige Stunden darauf langte Petrus am Haus Sulicenas an. Sie stand vor der Tür und sah ihm mit großen Augen entgegen. Als er ihre schlanke Gestalt in dem dünnen gegürteten Gewand sah, spürte er die alte Erregung hochsteigen.
Das Mädchen trat vor, doch er blieb im Sattel. Neugierig blickte sie auf seinen geschorenen Kopf.
»Ich gehe nach Irland«, bemerkte er kühl. Mit ein paar Worten berichtete er von seiner Bekehrung und den Gelübden. Sie starrte ihn ungläubig an.
»Du meinst, du willst nie wieder bei einer Frau liegen, solange du lebst?« Er nickte.
Da lachte sie laut, und Petrus spürte, wie er errötete. Doch als sie sah, daß es ihm ernst war, setzte sie eine spöttische Miene auf. »Dann viel Vergnügen, du Enthaltsamer!«
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