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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sprachen nicht viel dabei. Es war Abend, als sie den Henge erreichten, aber es war noch warm. Nur ein Drittel der großen Sarsens und weniger als ein Drittel der kleineren Bluestones standen noch im alten Kreis. Der Erdwall am Graben war nur ein wenig größer als die Erdbänke, die die offenen Feldstreifen voneinander teilten. Die Kultstraße war fast verschwunden, und nur einer der beiden Eingangspfeiler war noch an seinem Platz. Als die Sonne an diesem Abend der Sonnenwende die verwitterten grauen Steine in rotgoldenes Licht tauchte, wirkte der alte Henge wie ein ruhiger bedeutungsloser Ort.
    Als nun die Sonne über dem Henge versank, wußte Godric nicht, daß am Morgen ihre ersten Strahlen in die Mitte des geheiligten Kreises fallen und die kaum sichtbare Linie der großen Straße erhellen würden; er wußte auch nicht, daß der Mond an jenem Tag genau gegenüber der untergehenden Sonne aufgehen würde. Und er ahnte nicht, daß an diesem Ort schon viel Blut vergossen worden war.
    In der frohen Stimmung, die sie beide plötzlich überkommen hatte, wußte er nur, daß sie heiraten würden, sobald Mary schwanger war; und er war zufrieden.
    Am Johannistag, dem 24. Juni des Jahres 1139, brach die Krise, die Stephans Regierung so lange bedroht hatte, schließlich aus: Die in der englischen Geschichte als Anarchie bezeichnete Ära nahm ihren Anfang. Die Gefahr, daß Stephans schwache Regierung von innen her und mehr noch von seiner unbeugsamen Cousine, der Kaiserin Mathilde, herausgefordert wurde, war mit jedem Jahr größer geworden. Der erste Akt spielte sich in Oxford ab, wo Stephan den Hochadel zu einer Ratsversammlung einberufen hatte; was das Faß zum Überlaufen brachte, war ursprünglich nichts anderes als eine Streiterei in einem Gasthaus zwischen Anhängern des Bischofs Roger und einigen Gefolgsleuten anderer Magnaten, der wegen einer Meinungsverschiedenheit über ihre Unterbringung entstanden war. Mehrere Männer wurden verwundet, und ein Ritter wurde getötet.
    Bischof Rogers Leute hatten den Frieden des Königs gebrochen: Der Bischof trug die Verantwortung. Sogleich ließ Stephan nicht nur Roger, sondern auch seinen Sohn, den Kanzler und seine beiden Neffen, die Bischöfe von Ely und Lincoln zu sich kommen. Sie hätten für den Zwischenfall Genugtuung zu leisten, sagte der König. Vorläufig müßten sie ihm die Schlüssel ihrer Kastelle als Gewährleistung ihrer Vertrauenswürdigkeit überlassen.
    Das war ein schlauer Schachzug. Die Bischöfe waren außerhalb ihrer Festungen ohne Schutz und leicht zu überrumpeln. Wenn sie königstreu waren, würden sie ihm ihre Schlüssel unverzüglich aushändigen. Doch sie zögerten.
    Der König wußte sich zu helfen. Er ließ sie nach Hause zurückkehren. Dann schickte er seine Leute, sie zu verhaften. Aber wie gewöhnlich gelang es Stephan nicht, die Falle zuschnappen zu lassen. Bischof Roger, sein Sohn und der Bischof von Lincoln seien gefangengenommen worden, doch Nigel, Bischof von Ely, sei entkommen. Er habe sich nach Devizes zurückgezogen, berichtete Godefroi der aufgeregte Bote. »Er hält nun das Kastell, und der König ist auf dem Weg dorthin.«
    Das war es also. Die Sache lag klar zutage. Die Städte im großen Umkreis auf den Höhen von Sarum – Marlborough, fünfundzwanzig Meilen nördlich, dann Devizes, Trowbridge, Malmesbury im Nordwesten, Sherborne im Südwesten und schließlich Sarisberie in der Mitte –, Marktstädtchen, eine jede mit eigenen wehrhaften Kastellen, würden das Operationsfeld bilden. Gott sei Dank hatte Godefroi seine Familie nach London geschickt. Verschiedenes konnte sich ereignen. Er selbst wollte dem Unruheherd so nah wie möglich sein und sehen, woher der Wind wehte. Er mußte rasch handeln.
    Gleich darauf sagte er zu Nicholas: »Befestige den Gutshof, Masoun; ich gehe nach Devizes.«
    Das Lager des Königs außerhalb von Devizes war, wie so viele seiner Unternehmungen, eine eilig und ziemlich schlecht organisierte Angelegenheit. Godefroi fand bald die beiden Zelte, in denen William von Sarisberie und sein Bruder Patrick sich aufhielten.
    Bevor er eintrat, wurde er von einem Landjunker vom Neuesten unterrichtet. »Bischof Roger steht unter Arrest.« Der Junker deutete auf das Zelt, vor dem zwei Wachen postiert waren. »Er hat nichts mehr gegessen, seit wir Oxford verließen, und sein Sohn, der Kanzler, liegt in Ketten.«
    Godefroi pfiff durch die Zähne. Das war ein unvorhergesehener Schlag für diese mächtigen Emporkömmlinge.

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