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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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das: Auch all die kostbaren Dinge und die Waffen, die Bischof Roger dort angehäuft hatte, waren jetzt sein. Die unmittelbare Gefahr schien gebannt.
    Es gab jedoch noch eine Überraschung für den Ritter von Avonsford. Als er eben sein Pferd sattelte, kam ein unerwarteter Besucher durch die Zelte und Packpferde gegangen: William atte Brigge. Mit finster entschlossener Miene trottete er durch das Lager. Er blieb nur stehen, um nach dem Weg zum König zu fragen. Er suchte vor dem König Gerechtigkeit im Fall des Shockley-Hofes.
    Sobald Godefroi das Gesicht des Gerbers sah, wußte er, warum dieser gekommen war. Fluchend lief er hinter ihm her. Doch seine Sorge war überflüssig gewesen. Als William atte Brigge den König und seine Edelleute erreichte, platzte er mit all seinen Ansprüchen heraus: ihm sei Unrecht widerfahren, man habe seinen Hof enteignet und er wolle Gerechtigkeit vom König. In seiner Wut überschlugen sich die Worte. Stephan starrte ihn überrascht an, dann lächelte er. »Woher kommst du?«
    »Aus Wilton«, antwortete der Gerber.
    »Ich höre mir deinen Fall in meinem Kastell in Sarisberie an, Gerber!« rief der König. Und er winkte ihm, sich zu entfernen. Das genügte dem Gerber. Die Edelleute mochten ruhig über ihn lachen, denn der König hatte ihm versprochen, ihn anzuhören. Zufrieden wandte er sich zum Gehen. Godefroi schüttelte den Kopf nicht nur über die Unverfrorenheit dieses Burschen, sondern auch über die Schwierigkeiten, die er seinem Freund von Shockley machen konnte. Er stieg auf sein Pferd und ritt zurück nach Sarum.
    In den Monaten nach den Ereignissen bei Devizes erreichte der Disput den Höhepunkt des Zynismus. Durch seine Freiheitsurkunde, die Charter of Liberties, hatte Stephan der Kirche bestätigt, daß sie keinerlei weltliche Einmischung erfahren werde. Deshalb behaupteten nun Bischof Roger und seine Neffen – aufgrund der Tatsache, daß sie geweihte Priester seien –, der König habe kein Recht, Hand an sie zu legen. Die übrigen Bischöfe, unterstützt von einem Meister der Doppelzüngigkeit, Stephans Bruder Heinrich, Bischof von Winchester, standen hinter ihnen. Ende August tagte ein Konzil in Winchester. Man versuchte den König herbeizuzitieren, damit er sein Verhalten erkläre. Glücklicherweise gewann Stephan Anfang September seinen Fall, als der Erzbischof von Rouen aus der Normandie eintraf und das Konzil in Winchester daran erinnerte, daß Bischöfe nicht befugt seien, befestigte Kastelle zu Lehen zu haben. Die führenden Bischöfe machten einen Kniefall vor dem König; daraufhin versteckte Roger sich in Sarisberie und ließ sich kaum noch blicken.
    Die ganze Angelegenheit deprimierte Godefroi. Wenn Gottes Reich auf Erden wie ein großes Kastell war, überlegte er, dann kleisterten diese Konzile nur die Risse im Gemäuer zu. Die Grundmauern waren bereits morsch.
    Ende September kam es schließlich zum großen Streich: Kaiserin Mathilde landete in Arundel im Südosten.
    Da machte, sehr zur Bestürzung Godefrois und fast aller Ritter in England, Stephan den vielleicht dümmsten Schachzug während seiner ganzen Regierungszeit. Auf den Rat des doppelzüngigen Bischofs von Winchester gestattete der König der Kaiserin frohen Herzens sicheren Durchzug durch sein eigenes Reich bis zu ihren Anhängern, die sich in der westlichen Festung von Bristol gesammelt hatten. Was auch die Beweggründe für diese ungewöhnliche Aktion gewesen sein mochten – dadurch mußte es noch vor Monatsende unweigerlich zum Bürgerkrieg kommen.
    Genau das hatte Godefroi befürchtet. Nun mußte er abwarten, ob die Unruhen auch Sarum erreichen würden.
    Godric Body durchquerte ruhig mit seinem Hund die Senke unterhalb der Kastellmauern. Die Nachmittagssonne wärmte seinen Buckel. Er ließ Harold bei Fuß gehen und achtete darauf, daß er nicht beobachtet wurde. Die Herbstblätter fielen.
    Seit Michaeli waren ein paar Tage vergangen. Die Ernte war eingebracht, und die Felder trugen schon die neue Saat. Zwei Tage zuvor war das letzte Mutterschaf geschlachtet und eingepökelt worden, und an Allerheiligen sollte ein großes Schlachtfest im Dorf stattfinden. Doch an jenem Nachmittag dachte Godric nicht an die Schafe, sondern an das verschwundene Schwein des William atte Brigge. Er dachte, der Gerber hätte die Sache am Ende des Sommers schon vergessen; doch nein, seine Unterredung mit dem König hatte William so übermütig gestimmt, daß er an Michaeli eine Belohnung von drei alten englischen

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