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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Mark für Auskünfte über das Tier ausgesetzt hatte. Das war mehr, als das Schwein wert gewesen war.
    Godric war auf der Hut. Das letztemal war er vier Monate vorher in der Nähe jener Stelle im Wald gewesen, wo er das ausgeweidete Tier vergraben hatte. Es war so gut versteckt, daß es nicht entdeckt werden konnte. Trotzdem ging er teils aus Umsicht, teils aus Neugier noch einmal dorthin, um sicher zu sein, daß sich nichts geändert hatte. Er ließ den Fluß hinter sich und schlich sich vorsichtig in den Wald. Es war ein guter Monat für die Jagd: Hirschkuh und Rehgeiß waren zum Abschuß freigegeben. Godric wußte, daß die Förster unterwegs waren, und hielt die Augen offen.
    Er brauchte eine halbe Stunde bis zur versteckten Grube hinter einem dichten Brombeerstrauch. Die Überreste des Schweins waren etwa einen Meter tief vergraben, und die Stelle war nun mit Laub bedeckt. Es war nichts zu sehen. Befriedigt ging Godric weiter.
    Nach einem einstündigen Erkundungsgang in einem weiten Bogen machte er sich auf den Heimweg.
    Es dämmerte schon, als er das Reh sah: Es war in eine Falle geraten. Fäden waren derart zwischen Schößlingen gespannt, daß die Vorderläufe des Rehes sich hoffnungslos darin verwickelt hatten. Ein Lauf war bei dem verzweifelten Versuch des Rehs, sich zu befreien, gebrochen. Nun zitterte das arme Wesen erbärmlich.
    Godric hätte das Tier gern befreit, aber er hütete sich, das Wild des Königs anzufassen. Und er wollte auch keinen Förstergehilfen alarmieren, denn er hatte Harold bei sich, der nicht amtlich gekennzeichnet war. Das beste wäre gewesen, so rasch wie möglich das Weite zu suchen. Neugier und Mitleid bewogen ihn jedoch, sich in einiger Entfernung zu verstecken und abzuwarten.
    Es war fast dunkel, und das Tier begann leise zu wimmern, dann lauter zu klagen. Schließlich drangen die weinerlichen Laute des verlassenen Tieres durch den Wald.
    In der völligen Dunkelheit erhob sich ein leiser Wind, der in den Bäumen raschelte. Plötzlich war es kalt. Kein Mensch kam des Weges. Godric hielt es nicht länger aus. Er wußte, daß ein Reh mit gebrochenem Lauf vom Förster getötet werden mußte, das stand außer Zweifel. Ich habe damals das Schwein gut getroffen, dachte er, warum nicht auch ein Reh? Langsam kam er aus seinem Versteck.
    Morgen kriegt Mary einen Rehbraten, murmelte er vor sich hin. Zuerst legte er beruhigend den Arm um das zitternde Tier. Dann erlöste er es mit dem Messer von seinem Elend. Gleich darauf sank es zu Boden, und er kniete über ihm.
    Obwohl Harold einen plötzlichen Satz machte, konnte Godric nicht einmal mehr hochkommen – schon legte sich eine Hand auf seine Schulter, und er vernahm die Stimme von Le Portier, dem Weideaufseher, der ihn aus einem Versteck seit mehr als einer Stunde beobachtet hatte.
    Richard de Godefroi war allein im Eibenwäldchen und genoß die letzte warme Herbstsonne. Dann hörte er Schritte und sah ungehalten hoch: Wie konnte Nicholas es wagen, in seinen privatesten Bereich einzudringen?
    Doch der rotgesichtige, schwitzende Steinmetz ließ sich durch das zornige Stirnrunzeln des Ritters nicht beirren.
    »Mein Neffe Godric, Herr!« platzte er heraus. »Es heißt, er habe ein Reh gefangen. Helft uns!« Der Ritter erhob sich.
    Bei dem Gespräch mit dem Weideaufseher in dessen Haus im Wald stellte Godefroi fest, daß die Situation nicht schlimmer sein konnte. Es gab verschiedene Vergehen, für die ein Mann aufgrund der normannischen Weidegesetze dingfest gemacht werden konnte, doch das ärgste Verbrechen war die Schuld der blutigen Hand, und Godric hatte nicht nur Blut an den Händen, er war auf frischer Tat ertappt worden. »Und sein Hund ist nicht amtlich gekennzeichnet«, fügte Le Portier hinzu. Er zog Harold aus dem kleinen Zwinger, in den er ihn gesperrt hatte, und führte vor, daß der Hund aus dem Lederreifen schlüpfte, mit dem die Größe des zu registrierenden Tieres festgestellt werden konnte.
    »Was ist an der Geschichte des Jungen?« Der Ritter hatte an jenem Morgen eine Stunde mit Godric im Haus des Försters gesprochen, wo er festgehalten wurde, und hatte sich seinen Bericht angehört. Wenn er auch kaum glaubhaft klang, war Godefroi trotzdem überzeugt, daß er die Wahrheit sprach.
    Le Portier starrte ihn nur ausdruckslos an. »Das ändert die Sache nicht«, meinte er. »Godric hatte Blut an den Händen, und nach dem Gesetz…«
    »Wir kennen das Gesetz«, unterbrach ihn der Ritter ungeduldig. Vor Gericht wäre die

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