Sarum
Vorschlag, worauf John und Cristina hereingeführt wurden. Sie hatten einen unangenehmen Tag hinter sich. Das Dach der Hütte, in der sie untergebracht waren, war undicht. Abends war es kalt geworden, und sie hatten erbärmlich gefroren. Man hatte ihnen kein Essen gebracht. Jetzt blinzelten sie im hellen Licht des prächtigen Königsgemachs, wo ihnen von dem unverfrorenen Höfling ein merkwürdiger Vorschlag unterbreitet wurde.
Seine Logik war stichhaltig. Die schottischen Verhandlungen waren gut vorangekommen, doch in der vergangenen Woche hatte sich die letzte Phase wegen einiger unwesentlicher Details unnötig lange hinausgezogen; der Höfling hatte herausgefunden, daß der Grund dafür der Sekretär eines Kommissionärs war, der gegen die Sache war und Einfluß auf seinen Herrn hatte.
»Die einzige Möglichkeit, ihn bei Laune zu halten, ist Abwechslung«, erklärte der junge Mann dem König, »dann läßt er den Dingen ihren Lauf, auch wenn er nicht ganz einverstanden ist.«
»Welche Art von Abwechslung?«
»Frauen, Eure Majestät. Er ist unersättlich. Wir haben ihm schon drei Dirnen aus dem Ort geschickt, aber sie langweilen ihn.« Er grinste. »Haben Eure Majestät heute morgen die Frau des Händlers gesehen? Sie ist etwas Besonderes.«
Eduard blickte den Burschen mit einer Mischung aus Bewunderung ob seiner Schlauheit und Abscheu wegen seiner Methoden an. Der König war bekannt für seine Liebe zu seiner spanischen Gemahlin. Er nahm sie sogar mit auf Feldzüge. »Du willst sie zu dem Schotten schicken – als Preis für ihre Freilassung?« Er schüttelte empört den Kopf. »Das mache ich nicht.«
»Nein, Sire, das müßt Ihr nicht«, entgegnete der Höfling. »Die beiden werden freiwillig zustimmen.« Er erläuterte kurz seinen einfachen Plan. »Habe ich Eure Erlaubnis?«
Eduard schnitt eine Grimasse. »Wenn es sein muß.« Als John Wilson den Vorschlag des lächelnden jungen Mannes hörte, wiederholte er genau: »Ihr laßt mich ohne Verhandlung frei?« Der Höfling nickte. »Der König erwägt es, trotz Eures unverschämten Betrugs.«
»Und wenn ich frei bin, sichert Ihr mir den Hof zu?«
»Genau. Euren eigenen Hof.«
»Aber meine Frau muß eine Woche bei dem Schotten liegen?«
»Ihr würdet dem König einen großen Dienst erweisen.« John Wilson schwieg, ohne seine Frau anzusehen. »Und wenn der Schotte sie länger haben will«, fuhr er nachdenklich fort, »bekomme ich dann mehr?«
Das sanfte Lächeln des Höflings erstarrte einen Augenblick ob der Dreistigkeit der Frage, doch der junge Mann hatte sich rasch wieder in der Gewalt. »Vielleicht.«
Jetzt erst wandte John sich zu Cristina. Keiner von beiden sprach, aber sie wechselten einen Blick absoluten Einverständnisses. »Sie macht es«, sagte John fröhlich.
Eine Stunde später wurde John Wilson eine kleine Urkunde sehr von oben herab ausgehändigt, die ihm und seinen Erben das Lehen eines Hofes, bestehend aus einer Hufe Land mit einem Wohnhaus darauf, sicherte. Besagtes Wohnhaus war eine Hütte; das Land war mittelmäßig, doch es brachte genug, um bescheidene Ansprüche zu befriedigen. Es lag neben dem Shockley-Hof.
Das Abkommen zwischen den schottischen und englischen Kommissionären über die schottische Regierung während der Minderjährigkeit der Kindkönigin und der Vorschlag, der Sohn des Königs sollte zur gegebenen Zeit die Maid von Norwegen heiraten, wurden König Eduard am 6. November 1289 in Salisbury vorgelegt.
Danach kehrte der Monarch zu einer der wichtigsten Parlamentsperioden seiner Regierungszeit wieder nach London zurück. Das Sommerparlament von 1290 war aus vielerlei Gründen ein Markstein in der Geschichte Englands. Der reformbedachte, sich streng an die Buchstaben des Gesetzes haltende König hatte Ordnung in die bröckelnde feudale Verwaltung gebracht und suchte nach Wegen, um die Einnahmen aus dem wachsenden Wohlstand seines Königreiches zu erhöhen. Die Abmachung mit Schottland war getroffen. In dieser Zeit verabschiedete er auch einige seiner bekanntesten Gesetze.
Am 18. Juli 1290 traf der König eine Entscheidung von größter Tragweite: An diesem Tag verwies Eduard I. von England in der Ratsversammlung in Westminster die Juden seines Reiches. Der jüdischen Gemeinde wurde eine Frist bis zum Fest Allerseelen, dem Tag nach Allerheiligen, gesetzt. Sie konnte unter dem Schutz des Königs unbehelligt das Land verlassen.
Zwei Tage vor Allerseelen wurde Aaron von Wilton wieder in einen Wagen der Shockleys
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