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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Hauptteil der Hinterlassenschaft, der dem Lehnsherrn gesetzlich zufiel. Aus dem Besitz der Toten gewann er gute zwanzig Pfund, die zumindest die Ausgaben des Hofes deckten. Im Jahr zuvor war er, wie viele andere, schwer von einer Viehseuche getroffen worden, der die meisten seiner Schafe zum Opfer fielen. Das Gut von Avonsford mußte dringend den Viehbestand aufstocken und brauchte neue Vasallen.
    So sprachen Walter Wilson und sein Sohn eines Morgens ehrerbietig im Herrenhaus vor, um sich zu erkundigen, ob Land zur Verfügung stehe. Zusammen mit dem Ritter und seinem Sohn gingen sie durch das ganze Anwesen. Edward sah, daß es, wenn auch vernachlässigt, gutes Land war; vor allem aber beeindruckte ihn der Sohn des Ritters, Thomas, ein junger Mann in seinem Alter. So jemanden hatte er noch nie getroffen. Er war mit seinem blassen, feingeschnittenen Gesicht und seinem dunklen Haar nicht nur ausnehmend hübsch, er hatte nicht nur einen wunderbaren, athletischen Körper, sondern auch eine besondere Art zu gehen und jemanden anzusprechen. Edward bewunderte ihn unverhohlen und aufrichtig.
    Walter begutachtete das Land schweigend. Gelegentlich murmelte oder seufzte er, hielt sich aber aus scheinbarer Rücksicht auf den Ritter zurück. Aber je mehr er sah, desto betrübter wurde seine Miene. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Ausgelaugtes Land.« Gilbert hatte – wie Walter wußte – in den letzten Jahren reichlich Dünger und Mergel zur Ertragssteigerung verwendet, es war jedoch übertrieben, das Land als ausgelaugt zu bezeichnen. »Ich glaube nicht, daß ich etwas damit anfangen kann«, sagte Walter. »Es tut mir leid.«
    Edward beobachtete den Ritter, dessen Gesicht lang wurde. Jetzt war er an der Reihe. »Ich könnte es doch mit Schafen versuchen, Vater«, schlug er vor. »Sie könnten oben weiden und hier unten im Pferch sein, so düngen sie das Land. Einen Teil davon könnte ich schon nutzen.«
    »Das Land taugt nichts, du Idiot«, knurrte Walter. »Wirft kein Geld ab.« Edward blickte bekümmert drein, gleichsam als Zustimmung. »Du hast gesagt, ich könnte ein Stück Land übernehmen…« begann er, dann schaute er den Ritter und seinen Sohn hilfesuchend an. »Und was sollte es deiner Meinung nach kosten?« fragte Walter seinen Sohn.
    »Vielleicht… einen Penny pro Morgen.« Es war nur die Hälfte von dem, was Godefroi sich vorgestellt hatte, aber Walter protestierte empört.
    »Du wirst uns ruinieren.«
    Dieses genau geplante Streitgespräch zwischen ihnen wurde während der ganzen Verhandlung durchgehalten. Eine halbe Stunde später gingen die beiden mit einer für sie derart günstigen Abmachung von dannen, daß sie sich, außer Sichtweite, vor Lachen an einen Baum lehnen mußten.
    Für eine lächerliche Rente bekamen sie fast ein Drittel der besten Felder und nahmen für eine geringe Rente noch einen großen Teil des Hochlandes – scheinbar aus lauter Entgegenkommen –, den der Ritter überhaupt nicht verpachten wollte. »Dort oben könnten wir tausend Schafe weiden lassen, wenn wir sie hätten«, rief Edward.
    »Und auf diesen Feldern können wir sie einpferchen. Sie werden viel Gewinn bringen«, warf Walter ein.
    »Dieser Ritter ist ein Idiot«, stellte Edward fest. »Er weiß nicht, was er tut.«
    Das stimmte nicht ganz. Gilbert wußte, was er tat; dennoch hatte er eine falsche Entscheidung getroffen. Er hätte entweder in sein Land investieren, die Bestände wieder auffüllen und, wenn nötig, höhere Löhne zahlen müssen. Oder er hätte gute Pächter finden und sich weitgehend aus der Arbeitswelt zurückziehen können. Aber an diesem Wendepunkt in der Geschichte war dem Ritter seine vorsichtige Natur zum großen Nachteil geraten, genauer gesagt: Er hatte die Nerven verloren. Er war nicht bereit, das Risiko einer Investition einzugehen, und er war nicht bereit, auf den richtigen Pächter zu warten, was er eigentlich hätte tun sollen.
    Auf dem Rückweg fühlte Edward zum erstenmal die knochige Hand seines Vaters auf seinem Rücken. Er war verwundert. Vor allem aber hatte ihn das Verhalten des jungen Thomas überrascht. Er hatte sich nicht an der Diskussion beteiligt, und wenn er auch aus Höflichkeit schwieg, so war doch deutlich genug, daß ihn die Angelegenheit überhaupt nicht interessierte.
    »Diesem Thomas ist das völlig gleichgültig«, sagte er zu seinem Vater. Walter nickte. »Er ist vielleicht ein guter Kämpfer, aber er wird nie arbeiten«, antwortete er.
    Die Jahre in Whiteheath hatten

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