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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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den jungen Thomas zu einem vorbildlichen Landjunker gemacht. Er schnitzte meisterlich; er sang und konnte sogar, wenn auch etwas stockend, lesen und schreiben. Obwohl Englisch seine Muttersprache war, beherrschte er einen Grundwortschatz in normannischem Französisch – zumindest genügend, um mit einem französischen Adligen, den er vielleicht zufälligerweise im Krieg gefangennahm, Komplimente austauschen zu können. Denn Krieg – und nichts als Krieg – war seine Bestimmung. Falls es wieder einen Feldzug gäbe, könnte er reich werden; wenn nicht, war vorauszusehen, daß er sich nur so nebenbei um sein Landgut kümmern würde. Für die Tatkräftigen waren die Jahre um 1350 in Sarum eine gute Zeit. Vom Rückschlag durch die Pest erholte sich das Gebiet rasch; dabei erging es dem Süden und Westen von Wiltshire besser als den meisten anderen Gegenden des Landes. Denn dort erholte sich nicht nur der Wollhandel, sondern es entstand auch ein neuer bedeutender Wirtschaftszweig: die Herstellung von Tuch.
    Zuvor hatte England Wolle exportiert und Stoffe vom Kontinent importiert. Jetzt entwickelte sich ein lebhafter Markt für die Tuchbahnen in London und anderen größeren Städten und auch auf dem Kontinent.
    Agnes Mason blieb mit ihrer Familie in Avonsford; aber manches hatte sich geändert. Obwohl die Familie noch zusammenhielt, war ihr Leben nach der Erfahrung auf der Hochebene nicht mehr das gleiche wie früher.
    John übernahm die Arbeit seines Bruders in der Kathedrale, und obwohl man selten über Nicholas’ Tod sprach, fühlte Agnes, daß ihr Stiefsohn sie mit Zurückhaltung und Distanz behandelte. Für sie war es kein Schlag, als er sechs Monate später heiratete und in ein anderes Haus im Dorf zog.
    Er kam noch jeden Tag vorbei, um nach der Familie zu sehen, aber Agnes schaffte es jetzt auch ohne seine Hilfe. Godefroi hatte die Pacht für das Cottage nicht erhöht, und sie traf mit dem Ritter eine Vereinbarung, drei Tage pro Woche auf dem Gut von Avonsford zu arbeiten, wofür er sie gut bezahlte; außerdem halfen ihr die älteren Kinder. Bald stellte sich heraus, daß sie in einer besseren Lage als jemals war, da Arbeitskräfte Mangel waren. Jede Woche besuchte die Witwe mit ihren Kindern die ansässigen Landeigentümer und verdingte sich an ihren freien Tagen an den Meistbietenden, und wenn sie auch nie den Lohn eines Elias Wilson erzielten, kamen sie doch gut weg dabei, denn sie waren als ausdauernd und zuverlässig bekannt.
    Daher war es nicht erstaunlich, daß Walter Wilson bei seinem Vertragsabschluß mit Godefroi als schlauer Opportunist darauf bestand, daß die drei Tage bezahlter Lohnarbeit der Masons an ihn übergehen sollten. Zu Agnes’ Ärger willigte Godefroi aus Schwäche ein. »Jetzt arbeitet ihr unter mir«, teilte Walter ihr sofort mit, und zu Edward sagte er: »Diese verfluchten Leute lassen wir bis zum Umfallen arbeiten.«
    Denn Walter hatte nicht vergessen, daß der alte Steinmetz Osmund am Tag von John Wilsons Verurteilung in Clarendon vor König Eduard gegen seinen Vater ausgesagt hatte.
    Aber er hatte seine Rechnung ohne Agnes gemacht. Im ersten Monat war ihre Beziehung friedlich; Agnes arbeitete ihre drei Tage wie üblich, und Walter hatte ihr – murrend zwar – denselben Lohn wie früher gezahlt. Aber dann übte er allmählich Druck aus. Zuerst forderte er eine zusätzliche Stunde pro Tag; gelassen lehnte sie ab. Dann forderte er, daß außer ihr noch zwei ihrer Kinder die drei Tage arbeiten sollten; das überhörte sie einfach. Als er versuchte, sie in seiner üblichen Weise zu terrorisieren, beschwerte sie sich nicht, sondern biß die Zähne zusammen, wie ihre Familie es so gut an ihr kannte, und all sein Drohen war nutzlos.
    Erst ein Jahr später, 1351, sah er eine Möglichkeit, seinen Willen durchzusetzen.
    Das Parlament spielte ihm seine Waffe zu. Der freie Arbeitsmarkt, der Walter Wilson zu seinen raschen Gewinnen verhalf, brachte natürlich auch eine krasse Auswirkung mit sich. Das Problem war nicht neu – schon seit Beginn des Jahrhunderts waren die Löhne in England stetig gestiegen. Aber der höchst akute Mangel an Arbeitskräften, der überall nach dem Schwarzen Tod herrschte, hatte geradezu drastische Lohnerhöhungen verursacht.
    Überall im Land befanden sich nicht nur Lehnsherren wie Godefroi, sondern auch jene, die billig zu Land kamen – Kaufleute, Freie oder ehemalige Leibeigene –, in der gleichen Lage. 1349 kam es zu Protesten gegen die hohen Arbeitslöhne.

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