Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
war ihm gegenüber im Vorteil, und er wußte es. »Was willst du also?« fragte Stephen.
    Das war der Anfang gewesen. Und wie geschickt sein Vater sich verhalten hatte!
    »Geh zur Äbtissin«, sagte Walter zum jungen Kaufmann. »Sag ihr, daß du nicht mehr so viel für das Land bezahlen kannst.«
    »Und dann?«
    »Ich zahle dir eine feste Rente dafür und tue mein möglichstes. Ich werde versuchen, Landarbeiter zu finden, wenn es mir aber nicht gelingt, werden der Junge und ich unser Bestes geben. Auf diese Weise überleben wir alle, und du kannst das Gut ohne großen Aufwand halten.« Die Idee ließ sich verwirklichen. Zwei Tage später wurde der Abtei von Wilton und Stephen Shockley eine drastisch reduzierte feste Rente für den Hof zugestanden. Und Walter Wilson hatte jetzt die Nutznießung des gesamten Landes der Shockleys für vier Pence pro Morgen, weniger als die Hälfte des Werts vom Jahr zuvor – und zwar als Untervasall und nicht mehr als Leibeigener.
    Als Edward seinen Vater fröhlich angrinste: »Also sind wir jetzt Shockleys Lehnsleute und nicht mehr seine Leibeigenen«, fuhr Walter ihn böse an:
»Idiot! Wir brauchen Shockley nur noch dieses Jahr. Nächstes Jahr werfen wir ihn hinaus.«
    Die unglaubliche Voraussicht seines Vaters zeigte sich wieder, als sie besprachen, wie sie das Land in diesem ersten Jahr bewirtschaften wollten. Edward hatte angenommen, daß sie Vieh, auch Schafe anschaffen wollten, so daß sie im schlimmsten Fall wenigstens Erträge aus dem Verkauf der Wolle erhielten.
    Aber Walter schüttelte den Kopf. »Dieses Jahr Getreide«, kündete er an. »Wir säen soviel wie möglich. Vor allem Weizen.«
    »Aber die Hälfte der Bevölkerung ist tot«, gab Edward zu bedenken, »also herrscht weniger Bedarf – es wird keinen Markt für Getreide geben.«
    Walter sah ihn nur verächtlich an: »Sie werden nach Getreide schreien«, sagte er bloß.
    So war es im nächsten Sommer tatsächlich. Denn in der allgemeinen Verwirrung, die der Pest folgte, lagen viele Felder brach. Außerdem tendierten die Großgrundbesitzer dazu, vor allem ihren Eigenbesitz zu bewirtschaften und den Großteil des Getreides als Vorrat für weitere Notzeiten zurückzuhalten. Wie von Walter vorausgesehen, herrschte Mangel an Getreide, und der Weizenpreis stieg.
    Im Herbst 1349 machten die Wilsons, die Stephen Shockley nur eine schäbig kleine Pacht zahlten, enormen Gewinn. Das war nicht die einzige Quelle ihres Reichtums, denn mehr noch als Korn waren Arbeiter gefragt, die die Feldarbeit leisteten. Auch diese hatte Walter. Der alte Mann, Elias, die zwei Frauen und die Kinder waren alle ohne Zweifel sein Eigentum. Sie waren heimatlos. Also beherbergte er sie, kleidete und ernährte sie. Und beherrschte sie. Er tat es aus reiner Berechnung und mittels seines starken Charakters. Sie bearbeiteten das Land der Shockleys: Er ließ sie bis zum Umfallen pflügen. Zur Ernte, als eigentlich zusätzliche Hilfe benötigt wurde, ließ er sie von Morgengrauen bis nachts auf den Feldern arbeiten. Gegen Ende der Ernte, als noch nicht alle Arbeit geleistet war, ließ er Fackeln in den Feldern anzünden, so daß sie bei Dunkelheit arbeiten konnten. Zu anderen Zeiten, wenn es weniger Arbeit gab, vermietete er sie einzeln oder als Gruppe und forderte, daß ihr Lohn unmittelbar an ihn gezahlt wurde. Wenn sie sich beklagten, fuhr er sie an: »Ich sorge für euch, oder etwa nicht?« Er war so bedrohlich, daß sie sogar Angst hatten, wegzulaufen.
    Mit seinen eigenen Kindern verfuhr er unterschiedlich. Elias war ein Arbeitstier, viel stämmiger noch als sein Vater, aber mit den gleichen langen Händen und dicht beieinander liegenden Augen. Auf seinem breiten Gesicht lag fast immer ein Ausdruck leerer Torheit. Seine Schultern waren nach vorn gebeugt, sein Gang war unbeholfen. Aber er war stark, und er wollte es seinem Vater recht machen.
    »Der Dummkopf liebt mich«, erklärte Walter. »Er wird mir zu einem Vermögen verhelfen.«
    Und tatsächlich, obwohl er den jungen Mann bei der Arbeit verfluchte und sogar schlug, fanden sich oft Bauern der Gegend, die bereit waren, die unerhörte Summe von zwei Pence pro Tag für Elias’ Dienste zu bezahlen, weil er so arbeitswillig und kräftig war. Edward jedoch wurde geschont. Er arbeitete, wie Walter selbst, eine festgesetzte Stundenzahl. Oft nahm ihn sein Vater auf seine Geschäftsgänge in die Gegend von Sarum mit.
    Ein Jahr nachdem er das Gut von Stephen gepachtet hatte, kam Walter eines Abends mit

Weitere Kostenlose Bücher