Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
galt der Rache, und er war damit immer erfolgreich gewesen. Er wollte einen Shockley demütigen. Aber sein klarer Verstand sagte ihm, daß sein Sohn recht hatte. So verzog er nur das Gesicht, als Edward fortfuhr.
    »Gewinne ihn zum Freund. Bald sind wir reicher als Shockley. Das ist mein Ziel.«
    Zu Edwards Überraschung lenkte der Vater ein. Am nächsten Tag ging Edward Wilson nach Neu-Sarum und verkaufte nach einem zufriedenstellenden Gespräch mit dem Verwalter des Bischofs Wyvil die Mühle mit erfreulichem Gewinn an den Bischof, der sie schon immer haben wollte.
    »Jetzt ist auch der Bischof unser Freund«, lächelte er. In späteren Jahren mußte er allerdings manchmal zugeben, daß Walter vielleicht doch recht gehabt hatte; denn die Erträge aus der Walkmühle waren beträchtlich. Die Tuchindustrie – vor allem dort, wo mit breiten Webstühlen gearbeitet wurde – gedieh. Allerdings galt dies auch für jeden anderen Unternehmenszweig. Obwohl andere Teile des Landes noch an dem Schock der Pest litten, blühten Wiltshire und vor allem die Stadt Salisbury auf. Und den Wilsons ging es dabei noch besser als den meisten anderen.
    Oft wird fälschlicherweise angenommen, daß der Schwarze Tod 1348 ein einmaliges Ereignis war, das sich erst in der großen Pest von 1665 wiederholte.
    In Wirklichkeit jedoch gab es in den dazwischenliegenden Jahrhunderten mehrfache Ausbrüche der Pest. Und vermutlich war die schlimmste Pestepidemie schrecklicher noch als die erste, die Heimsuchung im Jahre 1361, die in London mit besonderer Heftigkeit wütete. Eine Woche nach Ausbruch der Seuche sammelte Agnes Mason ihre Familie wieder um sich, und sie machten sich auf den Weg zum Hochland. »Wir werden zum Schafstall gehen«, sagte sie. Sie wußte, daß er in diesem Jahr leerstand.
    Die Gruppe, die dieses Jahr vom Dorf aufbrach, sah anders aus als beim erstenmal. Agnes’ Kinder waren erwachsen, ihre älteste Tochter war bereits verheiratet. Aber genau wie damals beluden sie folgsam die Wagen unter ihren Anweisungen. Nur John fehlte. Agnes hatte ihren Stiefsohn mit seiner Familie eingeladen, sich ihnen anzuschließen, er aber hatte abgelehnt.
    Auch Agnes war verändert. Ihr rötliches Haar war ergraut; die Jahre hatten ihren Körper ausgezehrt, und wegen einer quälenden Arthritis hinkte sie. Auch ihr Geist war müde geworden. Auf dem Hügelkamm, von wo aus man das Tal überblickte, trafen sie Walter Wilson. Diese Begegnung sollte Edward nie vergessen. Sein Vater sah sie böse an und versperrte ihnen den Weg. Sie blieben beunruhigt stehen.
    »Wohin geht ihr?«
    »Zum Schafstall.«
    Walter schüttelte den Kopf. »Den brauche ich.«
    »Das stimmt nicht«, antwortete sie resolut.
    »Doch, ab morgen«, erwiderte er mürrisch. »Überhaupt gehört er dir nicht. Bleib da weg!«
    »Der Herr hat es mir erlaubt«, entgegnete sie. »Jetzt nicht mehr. Ich habe dieses Land gepachtet.« Agnes ahnte, daß es so sein könnte. Sie zuckte die Achseln. »Dann gehe ich eben anderswohin.«
    »Du schuldest mir drei Tage Arbeit«, erinnerte sie Walter.
    »Die Pest wird bald hiersein.«
    »Was schert es mich! Du arbeitest.«
    »Ich geh’ vom Dorf weg«, beharrte sie.
    »Wohin du auch gehst, ich werde die Hunde auf dich hetzen und dir tote Ratten schicken«, meinte er hämisch.
    Sie starrte Walter an, und Edward sah sie zum erstenmal schwankend werden, denn sie wußte, daß Walter sein Wort halten würde. Er hatte nicht vergessen, wie sie ihn wegen der Löhne gedemütigt hatte. »Gott wird dich strafen«, sagte sie gefaßt. Walter lachte.
    Wortlos wandte sie sich um, und die Familie ging den Pfad ins Dorf zurück.
    »Wir leben in finsteren Zeiten.«
    Wie oft, fragte sich Edward Wilson manchmal, hatte er diesen Lieblingssatz Stephen Shockleys gehört? Sicher sehr oft, denn seit er nach Walters Tod mit seiner Familie nach Salisbury gezogen war, hatte er die Freundschaft mit dem Kaufmann beflissen gepflegt. Und die meisten Menschen hätten Shockleys Ausspruch zugestimmt. Die Pest war wiederholt aufgetreten; nicht nur im Jahr 1361, als sie Agnes Mason dahingerafft hatte, sondern dann wieder 1374.
    Die Triumphe der Jahrhundertmitte waren verblaßt. Der Schwarze Prinz war gestorben. Sein Sohn Richard, der Thronfolger, zeigte wenige der edlen und kämpferischen Eigenschaften seines Vaters. Die herrlichen Besitzungen in Frankreich waren in knapp einem Jahrzehnt, außer einem kleinen Gebiet um Bordeaux und außer dem Hafen von Calais, wieder verlorengegangen. Man

Weitere Kostenlose Bücher