Sarum
für den bedeutenderen. Es hieß, daß ihm die Hälfte der Wollproduktion aus der Gegend um Salisbury gehörte; er hatte die Stadtgemeinde bereits im Parlament vertreten und beim König ein Gesuch für eine neue Charta für die Stadt eingereicht. Er war wohlhabend, arrogant und nahm den Mund sehr voll. Aber so mächtig Halle auch war – er war doch nicht wirklich reicher oder bedeutender als sein Rivale William Swayne, der bereits Bürgermeister gewesen war und dessen Stimme im Rat großes Gewicht hatte.
Dieser William Swayne betrat nun mit Michael Shockley die kleine Kirche des Märtyrers St. Thomas.
Nichts lag dem Mann mehr am Herzen als die Renovierung der Kirche. »Wenn Ihr wirklich zu den Achtundvierzig gehören möchtet«, sagte er offen, »erwarte ich, daß Ihr etwas zu dem Bau beisteuert.«
»Ich bin bereits ein guter Freund der Schneidergilde«, betonte Shockley, »gern trage ich etwas zu ihrer Kirche bei.«
Kurz darauf trennten sich die beiden wieder. Shockley konnte mit Swaynes Unterstützung rechnen und ging hochbefriedigt auf den Markt zu. Als er am Poultry Cross vorbeiging, verwandelte sich die Zufriedenheit in seinem Gesicht plötzlich in Wut: Soeben hatte er Eustace Godfrey erblickt.
Eine Lappalie – tatsächlich nichts als eine gedankenlose Bemerkung in einem hitzigen Moment – hatte zehn Jahre zuvor das bis dahin seit Jahrhunderten bestehende gute Einvernehmen zwischen den beiden Familien beendet.
Damals war Godfrey reicher und eingebildeter gewesen. Und als seine hübsche kleine Tochter Isabella eines Morgens mit dem jungen Reginald Shockley auf dem Kathedralgelände spielte, kam sie plötzlich mit dem Jungen zu ihm gelaufen und verkündete: »Wenn ich groß bin, Papa, werde ich Reginald heiraten.« Da hatte Godfrey kalt und gedankenlos geantwortet: »Eine Godfrey heiratet keinen kleinen Kaufmann«, und den Jungen fortgeschickt. Kaum waren die Worte ausgesprochen, hatte er sie bedauert, aber er konnte sie nicht mehr zurücknehmen. Der zutiefst verletzte kleine Junge berichtete seinem Vater Michael Shockley die Geschichte unter Tränen.
»Du wirst die Tochter dieses eingebildeten Möchtegern gar nicht heiraten wollen«, explodierte dieser. Seitdem hatten die beiden Männer nicht mehr miteinander gesprochen.
Als sie sich jetzt am Poultry Cross begegneten, blickten sie aneinander vorbei. Als Godfrey außer Sicht war, murmelte der Kaufmann: »Du wirst nie zu den Achtundvierzig gehören! Dafür werde ich sorgen.« Kurz darauf jedoch war Benedict Mason hoch erfreut, an der Ecke des Cross-Keys-Gevierts, Godfrey zu sehen. Er hatte nach ihm Ausschau gehalten.
Die Masons bewohnten in der Culver Street eine Haushälfte im Swayne’s-Geviert. Dazu hatte Benedict eine große Werkstatt hinter dem Haus gemietet, wo er mit zwei Gesellen sein Geschäft als Glockengießer betrieb. Glocken aus Salisbury waren in ganz Südengland begehrt; aber es gab keine regelmäßigen Aufträge. So stellte Benedict Kupferpfannen in seinen Werkstätten her, deren regelmäßiger Verkauf ihn, seine Frau und die sechs Kinder ordentlich ernährte. Er war klein und stämmig und hatte ein rundes Gesicht mit einer langen Nase, deren Spitze bei jedem Wetter rot leuchtete. Wenn er und seine ebenso kleine, gedrungene Frau, von ihren Kindern gefolgt, die Culver Street hinunterwatschelten, hatten sie auffallende Ähnlichkeit mit einer Entenfamilie.
Benedicts ganzer Stolz, seine größte Freude war die Glockengießerei. Und jene Glocke, die er jetzt in Angriff nahm, sollte von all seinen Glocken die bedeutendste werden: Nun endlich, nach zwei Jahrhunderten vergeblicher Hoffnung, sollte Salisbury offenbar seinen eigenen Heiligen bekommen und der große Bischof Osmund die ihm gebührende Anerkennung empfangen.
»Da werden sie eine Glocke brauchen «, meinte er. Wie aber konnte er die Chorherren der Kathedrale davon überzeugen? Wie sollte er sich den Auftrag sichern?
Benedict Mason war zwar bescheiden, aber auch hartnäckig. Wochenlang versuchte er, die Geistlichen für seine Idee zu erwärmen. Er hatte sogar bei William Swayne vorgesprochen. Aber Swayne interessierte sich nur für St. Thomas, und die Geistlichen hatten keine Notiz von dem kleinen Glockengießer genommen; er brauchte eine einflußreiche Persönlichkeit, um seine Sache zu vertreten.
Da hatte er an Godfrey gedacht. Godfrey war schließlich ein Gentleman: Es hieß sogar, daß er mit dem Bischof Kontakt habe. Mason hatte seine Sache sorgfältig vorbereitet und war
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