Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Familie wichtige Ämter bekleideten. Er selbst hatte auch eine wichtige Funktion beim Hochedlen Orden vom Hosenbande inne und hielt sich häufig in Windsor auf – der Ort lag in seiner Diözese. Godfrey war bemüht, Beauchamps Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; erst einige Monate zuvor hatte er eine bescheidene Summe für die Durchführung von Osmunds Kanonisierung in Rom gestiftet. Wenn der Bischof vorbeischritt, verbeugte er sich stets höflich, und jedesmal quittierte der Bischof die Ehrenbezeigung mit einem Lächeln. Mehrmals hatten sie miteinander gesprochen.
    »Wir leben in gefährlichen Zeiten«, sagte Eustace zu seinem Sohn Oliver. »Wir müssen einen Fuß in beiden Lagern haben.« Das große Königshaus von York – Vettern des Königs – hatte sich nicht nur gegen die Vormachtstellung des Bischofs von Winchester und den Rat der Lancaster aufgelehnt. Als König Heinrich VI. zwei Jahre zuvor wahnsinnig geworden war, wurde der Herzog von York zum Reichsprotektor ernannt; der König hatte sich zwar wieder erholt, aber seitdem gab es einen ständigen Machtkampf zwischen den beiden Parteien, der im Mai 1455 in der Schlacht von St. Albans gipfelte. Bis Anfang des Jahres war es ruhig im Land. York war als Leutnant des Königs nach Irland zurückgekehrt. Aber immer noch war da nur ein schwacher, halbverrückter König mit einem Söhnchen. Niemand wußte, was als nächstes geschehen würde.
    Während die Stadtbewohner sich bemühten, die Vorgänge in den aristokratischen Kreisen zu ignorieren, wollte Godfrey unbedingt daran teilhaben.
    So knüpfte er sein Gespinst aus Hoffnungen und Träumen. »Die Familie hat eine gute Position«, verkündete er fröhlich. Jetzt fehlte nur noch Geld zum Erfolg. Er hatte versucht, es zu beschaffen. Zuerst investierte er in Wolle und kaufte große Mengen durch einen Mittelsmann bei ansässigen Bauern für den Export. Er setzte viel daran.
    Aber es war so, wie ein flämischer Kaufmann ihm gegenüber klagte: »Das Problem liegt darin, daß die englische Rohwolle durch den obligaten Zoll fast ebenso viel kostet wie das fertige Tuch.« Der König erhob zwar auf Rohwolle, aber nicht auf fertiges Tuch Zölle: Während der Tuchhandel gedieh, war der Wollhandel nur noch für die Großkaufleute mit Stapelrecht ertragreich, und nach ein paar verlustreichen Jahren gab Godfrey auf.
    Dann versuchte er, Wein aus der Gascogne einzuführen, was ebenfalls mißlang: Die Siege der Johanna von Orleans hatten die Franzosen zu weiteren Kämpfen inspiriert; das engstirnige englische Parlament hielt den König mit Kriegsfinanzierung kurz, und so verringerten sich Englands Besitzanteile in Frankreich von Jahr zu Jahr, bis schließlich – zu Godfreys Leidwesen – die Ländereien in der Gascogne, Englands Stützpunkte auf dem Kontinent, ebenfalls verloren waren. »Ich werde nie ein guter Kaufmann«, gab er halb stolz, halb beschämt zu. Und obwohl er erst zweiundvierzig war, sagte er zu seinem Sohn: »Jetzt ist es an der Zeit, daß du die Familie zum Erfolg führst.« Wenn er die Aufgabe auch auf seinen Sohn übertrug, wußte er zumindest, wie sie durchzuführen wäre.
    »Dein Weg nach oben geht über die Jurisprudenz und das Parlament«, sagte er.
    Dies war eine im Prinzip vernünftige Idee. Mehr als je zuvor besuchten die Söhne des Adels und der Kaufmannsschicht Schulen, die eine ausgezeichnete Erziehung für Laien und Priester anboten. Oliver wurde auf die Schule nach Winchester geschickt, die im Jahrhundert zuvor von dem großen Kanzler Bischof Wykeham gegründet worden war; er hatte auch zwei Jahre an dem neugegründeten königlichen College in Cambridge studiert. Er war ein intelligenter Junge mit Talent zum Rechtsgelehrten. Dabei aber war er faul. Eustace jedoch prägte ihm ein, daß er mit etwas Fleiß sicherlich gute Chancen hätte, in den Dienst des Königs oder eines Magnaten zu treten, die ihre eigenen Gerichtshöfe mit Gefolgsleuten und Pöstcheninhabern unterhielten.
    Die eigentliche Chance, das Vermögen der Familie zu vergrößern, bot die Parlamentslaufbahn. Die Struktur des Parlaments war im Umbruch begriffen. Es gab jetzt in jeder Grafschaft Wahlbeschränkungen – nur jene freien Bauern, die einen jährlichen Reinertrag von vierzig Schillingen nachweisen konnten, durften wählen. Es war eine Arena vielschichtiger Machthändel geworden.
    Eustace war zuversichtlich. Zweifellos würde der Junge seinen Weg machen. Und was seine Tochter betraf – wer konnte ihr widerstehen? Es fehlte nur an

Weitere Kostenlose Bücher