Sarum
gerade auf dem Weg zu Godfreys Haus, als dieser das Poultry Cross verlassen wollte. Benedict fädelte die Angelegenheit geschickt ein – mit anderen Worten: Er verbeugte sich so tief, als wäre Godfrey der Bischof höchstpersönlich!
»Unsere Bürger, Sir«, begann er, »wollen einfach nichts für den heiligen Osmund tun, nicht einmal Swayne.« Dann enthüllte er seinen Plan. Der große Bischof könne ja schon sehr bald heiliggesprochen werden, erklärte er, und es sei doch sicherlich Rechtens, daß die Bürger irgend etwas zu seiner Ehre beisteuerten. »Aber sie wollen nicht, Sir. Sie denken nur an die St.-Thomas-Kirche«, beklagte er sich. Godfrey hörte aufmerksam zu. Der Glockengießer hatte völlig recht. Da er selbst reges Interesse an der Kathedrale zeigte, war er erschüttert, wie wenige Menschen in der Stadt seine Begeisterung teilten. »Was schlägst du also vor?«
»Eine Glocke, Sir, für den heiligen Osmund, ein Geschenk der Stadt, das die Priester zum Gebet ruft.«
»Und warum erzählst du das mir?«
»Die Stadt braucht jemanden, der mit gutem Beispiel vorangeht, Sir«, sagte Benedict Mason ernsthaft, »einen Gentleman, auf den der Bischof hört; jemanden, vor dem auch die Leute Respekt haben.« Er beobachtete Eustaces Reaktion aufmerksam. »Was die Kosten anbelangt«, fügte er hinzu, »für den heiligen Osmund würde ich die schönste Glocke für…« Er spreizte seine Hände.
Godfrey konnte es sich genau vorstellen. Er wollte die Sache selbst in die Hand nehmen, Spenden sammeln. Wenn Swayne seine Kapelle hatte, konnte er, Eustace Godfrey, für viel weniger Geld seine Glocke haben, und es wäre angenehm, vor dem Bischof als Wohltäter der Kathedrale zu erscheinen. Je mehr er nachdachte, desto besser gefiel ihm der Gedanke. Und so sagte er zum Glockengießer: »Komm morgen in mein Haus, und wir werden sehen, was sich machen läßt.«
Schließlich würde die Finanzlage der Familie morgen bereits gebessert sein.
Um sechs Uhr verließ John Wilson unbemerkt sein prächtiges Haus im New-Street-Geviert. Er hatte zwei wichtige Besuche vor. Es gab mehrere Gründe, warum er auch unter dem Beinamen Spinne bekannt war: Zum einen war er immer schwarz gekleidet, auch zu Anlässen, bei denen andere Leute Farbe trugen; zum zweiten war es sein merkwürdig ruckartiger Gang; zum dritten wußte seit einem halben Jahrhundert niemand in Sarum, wie groß Wilsons Vermögen war oder wie weit das Netz der Unternehmungen seiner Familie ausgedehnt war. Man wußte nur, daß es unter Walter Wilson und seinem Sohn Edward weiter angewachsen war. Es konnte durchaus sein, daß er fast so reich war wie Halle und Swayne. Die Spinne war nichts als ein Kaufmann, der wenig mit Handwerkergilden zu tun hatte und nicht beliebt war. Sein Sohn Robert, der sich als sein Mittelsmann am Hafen von Southampton betätigte, kam selten nach Sarum, aber es hieß, er sei wie sein Vater.
Um sieben Uhr ging Lizzie Curtis am Rand des Vanner’sGevierts entlang und hatte dabei das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie war sicher, etwas gehört zu haben: ein Schlurfen von Füßen und ein Rascheln hinter sich.
Es war hell; in den Häusern in der Nähe waren Menschen. Wer immer ihr folgte, sie dachte sich nichts dabei.
Zwei Dinge hatten für die siebzehnjährige Lizzie Curtis eine Bedeutung: Sie war hübsch, und sie war reich. Ihr Vater war einer der größten Metzger der Stadt, und sie war das einzige Kind. Sie war intelligent und freundlich, machte jedoch wenig Gebrauch von diesen beiden Eigenschaften. Sie trug einen hellblauen Mantel über einem schmucken gelben Ärmelrock, der so dünn war wie ein Unterrock. Dazu gelbe Filzschuhe und darüber hübsche, rotbemalte Holzsandalen, die lustig auf dem Straßenpflaster klapperten. Unter dem weißen Kopftuch schauten die weichen braunen Löckchen hervor.
Sie machte sich viele Gedanken darüber, wie sie die Bewunderung der Männer erregen konnte. Ganz sicher war sie sich jedoch noch nicht, daher spielte sie im allgemeinen die Stolze; zuerst flirtete sie gerade soviel, daß sie anbissen, dann warf sie ihren Kopf zurück und behandelte sie von oben herab.
Bis jetzt hatte sie diese Technik nur bei den jungen Männern in der Stadt ausprobiert, und es funktionierte offenbar.
Lizzie Curtis wollte eine vornehme Dame sein – eine jener eindrucksvollen Persönlichkeiten, die man gelegentlich in der Stadt sah in prächtigen hermelinbesetzten Umhängen und mit hochaufgetürmtem Kopfputz aus Samt und Brokat, mit
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