Sarum
Geld – denn seine eigenen Quellen versiegten allmählich. Das bedeutete Heirat. Tatsächlich wurde die Sache seit dem letzten Jahr immer dringlicher. Und jetzt glaubte Eustace Godfrey, die richtigen Kandidaten gefunden zu haben – natürlich Kaufleute, und zwar reiche. Im Vertrauen darauf, daß er die Dinge klug angehen werde, machte sich Eustace an diesem Abend frohgemut auf den Weg. Sobald erst für seine Kinder gesorgt wäre, wäre er seine Hauptverantwortung los. Er mußte in seinem Leben sonst nichts mehr leisten. Das war eine angenehme Aussicht.
Im Grunde hatte er immer geahnt, daß ihm im Geschäftsleben von Salisbury kein Platz beschieden war. Seine wahre Berufung waren ohne jeden Zweifel Frömmigkeit und Gelehrsamkeit. Wann immer eine Messe gefeiert wurde, sah man ihn in der Kathedrale. Manchmal wohnte er allen sieben Gebetsstunden bei. Ja, wenn für die Kinder gesorgt wäre, könnte er seine Zeit diesen angenehmeren Tätigkeiten widmen; diese Aussicht beschwingte seine Schritte. Als erstes wollte er John Wilson einen Besuch abstatten.
Auch Michael Shockley war zuversichtlich, und das mit gutem Grund, als er an diesem Abend sein Haus verließ – ein großes gediegenes Gebäude mit Doppelfront und massiven eichenen Stützrahmen, dünner Holzverkleidung mit Verputz dazwischen; die oberen Stockwerke waren zur Straße hin vorgezogen. Es lag im nördlichen Marktbezirk der Stadt, im Three-Swans-Geviert, dem Drei-Schwäne-Geviert, und die Vorderseite blickte auf die ehemalige High Street, die in Endless Street umbenannt worden war, da sie so lang wirkte. Das Haus war solide und vernünftig wie Shockley selbst und seinem Status angemessen. Shockley trug ein kurzes Gewand, in der Taille eng gegürtet, um seine breite Brust zu betonen, und eine knapp sitzende Hose, die seine muskulösen Waden vorteilhaft abzeichnete. Sein Ziel war an diesem Abend eindeutig: Er wollte sicherstellen, daß er in den Rat der Achtundvierzig gewählt würde.
Genau gesagt gab es zweiundsiebzig vortreffliche Bürger, die die Stadt Salisbury leiteten: vierundzwanzig Senioren, an ihrer Spitze der Bürgermeister, darunter beispielsweise die Stadträte der vier Stadtbezirke; ihnen unterstand die Gemeinschaft der Achtundvierzig; diese Männer hatten untergeordnete Positionen inne und wählten die Älteren. Im Vormonat war einer der Achtundvierzig gestorben, und seine Stelle sollte am nächsten Tag besetzt werden.
»Es ist an der Zeit, daß ich gewählt werde«, hatte Shockley zu seiner Frau gesagt, »und ich werde gestützt.«
Er war neununddreißig Jahre alt und hatte viele Freunde, teils weil er gutherzig und unkompliziert war, teils auch, weil er sich um sie bemühte.
Der Wohlstand der Shockleys war beständig gewachsen. Das Geschäft mit der Walkmühle blühte, besonders mit den schweren ungefärbten Tuchbahnen, die sich gut verkauften; außerdem hatte Michael ein kleines Unternehmen mit der Produktion von leichterem Wollstoff aufgebaut, der noch von Hand gewalkt wurde und keine Maschine brauchte. Das war taktisch klug, denn es brachte zum einen bescheidenen Zusatzgewinn, zum anderen machte es ihn auch bei den kleineren Handwerkern beliebt, die das Rückgrat der Stadt bildeten. Die aufstrebenden Unternehmungen der Shockleys beschäftigten eine Vielzahl von Walkern, Färbern und Webern, und Michael steuerte immer etwas zu ihren Handelsgilden und Bruderschaften bei. Sein Sohn Reginald war Mitglied der einflußreichen Schneidergilde. Shockley war zwar ein reicher Kaufmann, doch er schärfte seinem Sohn ein: »Wenn du ein gutgehendes Geschäft führen willst, mußt du den Handwerkern zeigen, daß du einer von ihnen bist.«
Als er von der Endless Street abbog, standen ein paar Schneider an der Ecke und lächelten ihm zu. Einer rief ihm zu: »Bald werdet Ihr einer der Achtundvierzig sein«, und Shockley lächelte zurück. Kurz danach erreichte er sein Ziel: die kleine Kirche im Westen des Marktplatzes.
Der Mann, mit dem er verabredet war, wartete schon an der Kirchenpforte. »Ihr möchtet also in den Rat der Achtundvierzig aufgenommen werden?« fragte er freundlich. »Natürlich.«
»Seid Ihr bereit, etwas zu stiften?«
»Wieviel?«
Der große Mann musterte Shockley nachdenklich, taxierte dabei offenbar die finanziellen Möglichkeiten des Kaufmanns. »Noch einen Bogen für diese Kirche«, sagte er dann lächelnd.
In Sarum gab es mehrere Großkaufleute, die bekanntesten waren John Halle und William Swayne. Manche hielten John Halle
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