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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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eine feierliche Angelegenheit. Zuerst hatte der Priester in der Kirche eine Totenmesse gelesen, bei der Eustace seine Gelübde abgelegt und die grobe Wollkutte angezogen hatte, die er fortan tragen würde. Jetzt schritt er langsam zu seiner Zelle. An der Nordpforte der Kirche blieb die Gruppe stehen. Bei der letzten Bauveränderung war dieser Seite der Kirche eine große Vorhalle mit einem darüberliegenden Raum angegliedert worden, der über eine Treppe erreichbar war. Dies sollte Eustaces Zelle werden, in der er in Gebet und Meditation bis zu seinem Tode ausharren würde. Während Eustace unten wartete, gingen der Priester und die Meßdiener hinauf, um die Zelle zu segnen.
    Will konnte den folgenden Teil der Zeremonie nicht sehen, weil er im Inneren des Gebäudes stattfand. Die Symbolik war grausig.
    Zuerst wurde Eustace nach oben gerufen. In der Zelle mußte er sich auf das Holzbrett legen, auf dem er in Zukunft schlafen würde, und während er die Hände gefaltet hielt wie ein Toter, spendete der Priester ihm das Sterbesakrament. Ein Meßdiener schwang ein Weihrauchgefäß, der andere hielt einen Sack, aus dem der Priester Erde über Eustaces Körper streute. Dann besprengte er ihn mit Weihwasser. »Eustace Godfrey«, verkündete er hierauf, »du bist für die Welt gestorben. Eustace Godfrey, du lebst nur noch für Gott.« Dann stiegen die drei die Treppe hinunter und verschlossen die Tür feierlich hinter sich.
    »Eustace Godfrey ist in sein Grab gestiegen«, rief er den Umstehenden zu. »Betet für seine Seele.«
    In Wahrheit war diese Einschließung nicht so folgenschwer, wie es die Zeremonie nahelegte. Bevor er die Genehmigung für das Eremitendasein erhielt, hatte Eustace den Erzdekan der Kathedrale davon überzeugen müssen, daß sein Wunsch nach dem geistlichen Leben und seine Berufung dafür echt waren, aber auch, daß er in der Lage war, an dem für ihn auserwählten Ort menschenwürdig zu existieren. Obwohl er eingeschlossen war, kam täglich ein Diener, der ihm Nahrung brachte und seine Kammer reinigte; sein Sohn und seine Tochter durften ihn besuchen. Das Sichzurückziehen in ein Leben einsamen Gebets war, zumindest in England, nicht mit Entbehrungen verbunden. Eustace war mit dieser Regelung durchaus zufrieden. Alle seine Versuche, sich in der geschäftigen Stadt einzurichten, waren gescheitert. Seine bezaubernde Tochter hatte schließlich mit achtundzwanzig Jahren einen älteren Landwirt aus Downton geheiratet.
    Die Ehe blieb kinderlos. Sein Sohn hatte weder die Laufbahn eines Rechtsgelehrten eingeschlagen, noch hatte er in London Karriere gemacht; vielmehr hatte er sich in einem bescheidenen Haus im Blauer-Eber-Geviert niedergelassen, wo er erfolglos mit Wolle handelte und gern einen über den Durst trank. Eustace hatte sein schwindendes Vermögen weiterinvestiert, die Hälfte davon verlor er in einer Transaktion mit einem skandinavischen Kaufmann, während England mit den Kaufleuten der deutschen Hanse stritt. 1476 wurde mit der Hanse ein Friedensabkommen abgeschlossen: Die Deutschen erlangten ihr Handelsmonopol wieder, Godfrey und sein skandinavischer Partner standen vor dem Ruin. Das Zusammenwirken dieser unglücklichen Zufälle hatte Eustaces eigene Neigungen bestärkt, so daß er sich schließlich der mystischen Welt zuwandte. Immer häufiger besuchte er die Messe. Wenn das Jahr um wäre, wollte er nicht mehr in dem Haus nahe St. Ann’s Gate wohnen.
    »Ich habe mit der Welt abgeschlossen«, sagte er zu seinen Kindern, und so war es auch. Als der Priester gegangen war, stand er langsam auf und lächelte. Zum erstenmal seit vielen Jahren war er glücklich. Noch jemand hatte der Zeremonie mit großer Anteilnahme beigewohnt: Benedict Mason. Der Glockengießer hatte in seinen späteren Jahren Erfolg gehabt und auch an Leibesfülle zugenommen. Da er in Godfrey eine Stütze der Kirche sah, hatte er sich ihm immer sehr verbunden gefühlt und war an diesem Morgen herbeigeeilt, um Zeuge eines so wichtigen Ereignisses zu sein.
    Nach dem Gottesdienst, als Godfrey in seiner Zelle untergebracht war, ging Benedict zurück in die Kirche: Da war etwas, das er noch ansehen wollte.
    Will folgte ihm.
    Die neue Kirche von St. Thomas dem Märtyrer war das Schmuckstück der Stadt, und die Stadt hatte vieles, worauf sie stolz sein konnte. Nie zuvor war es den Bürgern von Salisbury so wohl ergangen. Die Häuser York und Lancaster kämpften immer noch um den Thron; aber während hohe Adelige wie Warwick der

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