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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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schaute er lächelnd und Zustimmung heischend zu Abigail auf, die sie ihm gab, während sie in ihrem einfachen braunen Gewand ruhig dastand.
    »Du tust das Werk des Herrn, Peter«, sagte sie. Abigail war eine besondere Person, eine der wenigen in Sarum, die ein Ziel im Leben hatten. Sie war idealistisch und stark. »Abigail Mason weiß, woran sie glaubt«, beruhigte sich Edward. »Sie lügt nicht.« Und er schüttelte traurig den Kopf über seine eigene Schwäche.
    Das kleine Fenster, das Benedict Mason drei Generationen zuvor so stolz zur Erinnerung an sich und seine Frau eingesetzt hatte, hatte erstaunlich lang überdauert.
    Die Beauftragten des Königs fanden es zu unbedeutend, um sich damit abzugeben; und da Benedict sieben Nachfahren in Sarum hatte, zögerte Peter Mason – aus Angst, seine Verwandten zu beleidigen –, das kleine Erinnerungsstück selbst zu beseitigen. Doch Abigail war unerbittlich. Immer wieder hatte sie liebevoll, aber entschlossen auf ihn eingeredet, und jetzt war es endlich soweit. Niemand hatte zu widersprechen gewagt. Es war das Werk des Herrn.
    Abigail war von kleiner Statur, aber von ihrem blassen Gesicht ging eine starke Überzeugungskraft aus, und ihre tiefbraunen Augen blickten so ruhig, daß sie sich von allen übrigen unterschied. So streng sie auch wirkte, hatte sie, abgesehen von ihrer mutigen Haltung, etwas an sich, das Edward Shockley irgendwie seltsam anzog, was vermutlich sündhaft war. Er wandte sich ab und betrachtete statt dessen die Kirche. St. Thomas hatte sich seit seiner Kindheit völlig verändert. Nicht einmal der Name war geblieben, denn König Heinrich VIII. hatte in seiner fast grenzenlosen Macht schlichtweg erklärt, Thomas Becket, der Märtyrer-Erzbischof, der dem König widerstanden hatte, sei kein Märtyrer, sondern ein Rebell gewesen. Daher war die Kirche am Marktplatz dem Apostel Thomas geweiht worden. Doch erst der Beauftragte des jetzigen Kindkönigs, Eduard VI. hatte ihr Aussehen wirklich verändern lassen. Die Statue des heiligen Georg lag in Trümmern; die meisten Schnitzereien waren zerstört. Die Votivkapellen von Swayne und der Schneidergilde waren niedergerissen und ihre Stiftungen konfisziert worden. Zwei Zentner Bronze im Wert von sechsunddreißig Schilling waren allein aus St. Thomas herausgekarrt worden, ebenso fast die gesamte Glasmalerei. Die Schreine, Votivkapellen und Andenken hatte man, im Namen des wahren Gottes, vernichtet. Ja sogar das große Gemälde des Jüngsten Gerichts war weiß übertüncht worden.
    »Keine papistischen Idole mehr«, hatte ihm ein an der Zerstörung beteiligter Arbeiter stolz erklärt. »Bald haben wir den Ort gesäubert.« Es war überall das gleiche. Die St.Edmunds-Kirche war ihres Schmuckes beraubt; die Bruderschaft Jesu war aufgelöst. In der Kathedrale selbst war die Zerstörung beträchtlich. Nicht nur die Gottesdienste in den Votivkapellen von Bischof Beauchamp und Lord Hungerford wurden abgeschafft, man hatte auch Gold- und Silberarbeiten im Wert von zweitausend Pfund – der Schatz von Jahrhunderten – entfernt. Der juwelenbesetzte Schrein des heiligen Osmund, Stolz der Stadt, wurde aufgebrochen und geplündert. Altäre wurden durch einfache Tische ersetzt, die alte lateinische Liturgie in alltägliches Englisch verwandelt. Dies alles geschah nach dem Willen des protestantischen Kindkönigs Eduard VI. Die Reformation hatte Sarum erreicht. Als Shockley nach dem Ereignis St. Thomas verließ und durch die Stadt schlenderte, wanderten seine Gedanken zu einer anderen Szene, die eine Stunde zuvor in seinem eigenen Haus stattgefunden hatte. Seine fünfjährige Tochter Celia sah ihn mit großen angstvollen Augen an, seine Frau Katherine mit verletztem und vorwurfsvollem Blick, bevor sie in Tränen ausbrach. Natürlich war es seine Schuld. Wegen der Reformation hatte er lügen müssen.
    Wer in Sarum hatte schon erwartet, daß ein Tudor-König in England eine protestantische Reformation in die Wege leiten würde? Seit 1485, dem Jahr des Sieges über den ungeliebten König Richard III. aus dem Hause York in Bosworth, als die aufstrebende walisische Dynastie auf den Thron gelangte, hatten die Tudors alles getan, um ihre Herrschaft und den orthodoxen Glauben zu festigen. Da ihr eigener Thronanspruch durch eine opportunistische Heirat mit dem Hause Lancaster höchst zweifelhaft war, hatte Heinrich VII. eine Prinzessin aus dem Hause York geheiratet. Die Stellung der großen Feudalherren war durch die Rosenkriege

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