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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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doch im Rücken hat er die Häfen und Tuchzentren: Hull im Norden, Plymouth und Gloucester im Westen. Sein Vormarsch ist nicht abgesichert, und London wird sich nicht so leicht ergeben.«
    »Aber seine Armee ist besser ausgebildet.«
    »Im Grunde ja. Doch das östliche Bündnis wächst, und es hat einen neuen Kommandeur, einen Landedelmann so wie wir; sein Name ist Cromwell. Er bildet eine neue Streitmacht aus, neben der Lord Essex’ Kohorten ein armseliges Häuflein sind. Auch Fairfax im Norden ist ein fähiger Kommandeur. Warte nur, bis diese Leute in Aktion treten.«
    »Vielleicht stellt ihnen der König eine größere Armee entgegen.«
    »Das kann er nicht. Kein Geld.« Nathaniel seufzte. »Ein langer Krieg wird nur durch viel Geld gewonnen, Schwester. Das Problem ist, daß das Parlament seine Hand daraufhält. Unsere gesamten Ausgaben gehen ans Parlament. Wir Royalisten bezahlen im Grunde unsere Gegner, die außerdem als Kaufleute immer mehr Mittel flüssig haben als wir. Dieser Sieg des Königs ist Phantasterei, eine Traumvorstellung. Was heute noch Wirklichkeit ist, existiert morgen schon nicht mehr.« Das war eine düstere Prognose. Margaret sah ihren Bruder nachdenklich an.
    1644: Oktober
Das ganze Jahr über war der Vorteil in England einmal auf der einen, dann wieder auf der anderen Seite. Offensichtlich hatten die Royalisten in Sarum triumphiert. Die ortsansässigen Kommandeure des Parlaments – Hungerford, Baynton, Evelyn – desertierten entweder und machten gemeinsame Sache mit dem König, oder sie fielen in Ungnade. Fünfzehn Meilen westlich mußte der tapfere junge Edmund Ludlow schließlich die katholische Hochburg, Wardour Castle in Arundel, aufgeben und sie den Royalisten überlassen. Diese Hochburgen wurden fast alle für Karl gehalten. Doch hoch im englischen Norden hatte die furchteinflößende neue Armee Cromwells und Fairfax’, die sich der Kavalleriemethoden des Prinzen Rupert bediente, mit eiserner Disziplin mit den presbyterianischen Schotten die Royalisten bei Marston Moor völlig aufgerieben. Im Südwesten aber waren die Royalisten noch stark. Wenn auch im Juni Lord Essex mit der Armee des Parlaments durch Sarum stürmte und den kühnen Schwur tat, sie würden die Royalisten im Südwesten zur Strecke bringen, war im Monat zuvor die Nachricht gekommen, daß Essex in Cornwall kapituliert habe. Es war ein ständiges Hin und Her.
    Nathaniel war in Wilton; doch nicht ihn traf Margaret bei ihrer Rückkehr auf dem Hof an – es war Edmund.
    Sie hatte ihn seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen. Er hatte sich so sehr verändert, daß sie ihn kaum wiedererkannte. Sein Haar, das er wie die meisten Angehörigen der Streitkräfte des Parlaments, Cromwell eingeschlossen, früher lang getragen hatte, war nun kurz gestutzt, was diesen Soldaten den Beinamen Roundheads eintrug. Das auffallendste war für Margaret allerdings nicht der Haarschnitt, sondern daß Edmund überhaupt nur noch wenig Haar geblieben war. Sein Gesicht war abgezehrt, seine Kleidung fadenscheinig. »Ich brauche Ruhe und etwas zu essen«, sagte er. Er wirkte nervös. »Oder bist du jetzt Royalistin?«
    »Ich bin deine Schwester«, antwortete sie, »aber man darf dich hier nicht sehen. Die Königstruppen sind überall.« Dann wandte sie sich an Samuel, der den vermeintlichen Fremden neugierig anstarrte, und sie sagte: »Erzähle niemandem etwas von deinem Onkel. Es ist ein Geheimnis.«
    Dann brachte sie Edmund hinauf in ihr Zimmer und verriegelte die Tür hinter ihm. Er schlief fünfzehn Stunden.
    »Lord Essex hat aufgegeben«, berichtete er verbittert, als sie am folgenden Tag beieinander saßen. »Wir wollen nicht mehr von Aristokraten geführt werden; wir brauchen Cromwell und seine Männer.« Wie mager er war! Doch sie bemerkte eine innere Veränderung bei ihm: Während ihr geliebter Nathaniel vielleicht den Erfolg seiner Sache insgeheim anzweifelte, zweifelte ihr älterer Bruder an sich selbst. Als könnte er ihre Gedanken lesen, sah er traurig hoch. »Ich habe mich verändert.«
    Und er erzählte ihr mit bald todmüde, dann wieder erregt klingender Stimme von seinen Erlebnissen: von den reichen Adeligen, die nur für ihren eigenen Profit kämpften in der Hoffnung, im Fall eines Sieges konfiszierte Besitzungen der Royalisten zu erhalten; von Presbyterianern wie Obadiah, die ihre eigene religiöse Gewaltherrschaft an die Stelle der königlichen setzen wollten. »Ich habe aber auch andere Männer getroffen – einfache gläubige

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