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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Anzahl der vordringenden Royalisten nicht kannte, nahm er doch an, daß es viele waren. Sein eigenes Kontingent in der Stadt belief sich auf lediglich sechzig Mann. Seine einzige Hoffnung, den Vormarsch des Gegners aufzuhalten, war ein brillanter Schachzug. Mit einer Handvoll Männer beabsichtigte er einen dreisten Vorstoß gegen die feindliche Vorhut auf dem Marktplatz, während ein am Poultry Cross stehender Trompeter zum Angriff blasen sollte, um den irrigen Eindruck zu erwecken, ein großer Trupp von Roundheads folge unmittelbar nach. Vorn wurden Schüsse abgegeben.
    An die dreihundert Kavaliere waren auf dem Marktplatz zu einer Linie formiert. Ludlow hatte seine dreißig Mann in der Gasse beim Poultry Cross gesammelt und gab nun den Befehl zum Angriff. Der Trompeter blies wild sein Signal. Samuel machte große Augen. Wie riesig der Marktplatz aussah! Die Männer vor ihm rannten los, und er stolperte ihnen nach. Aufgeregt fuchtelte er mit den Armen. Die Kavaliere konnten ihn nicht schrecken.
    Da prallten die beiden Trupps aufeinander, und Samuel blieb wie angewurzelt stehen. Das hatte er nicht erwartet.
    Zuerst funktionierte Edmund Ludlows Plan. Die Royalisten sahen den zu allem entschlossenen Trupp, geführt von dem jungen Ludlow auf seinem prachtvollen Pferd. Es kam ihnen gar nicht in den Sinn, daß es nur dreißig Mann sein könnten. Sie zerstreuten sich und wurden über den offenen Platz getrieben. Niemand nahm Notiz von der kleinen Gestalt, die unschlüssig mitten auf dem Marktplatz stand. Ludlow hatte sein Schwert gezogen und war in einen Nahkampf mit einem royalistischen Offizier verwickelt.
    Die beiden Pferde drehten sich, kaum fünfzig Meter von Samuel entfernt, trappelnd im Kreis. Zu seiner Linken sah der Junge drei Fußsoldaten, die sich wie in einem irrwitzigen Tanz bewegten; da stürzte einer von ihnen hin. Aus einer klaffenden Wunde an seiner Seite spritzte Blut.
    Das Kind fühlte keine freudige Erregung mehr. Plötzlich waren die riesigen Gestalten drohend um ihn herum. Das also war Kampf! Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Auf einmal mußte er an Margaret denken. Wo war sie bloß? Obwohl auch hinter ihm gekämpft wurde, versuchte er zurückzulaufen.
    In ebendiesem Augenblick wollte der Royalisten-Oberst, mit dem Ludlow kämpfte, über den Marktplatz weg in die Castle Street durchbrechen. Ludlow wirbelte herum, blieb an seiner Seite und drängte ihn zur Platzmitte ab.
    Gleich würden sie ihn überrennen. Keiner der beiden Kämpfenden sah im Dämmerlicht den kleinen Kerl unmittelbar in der Gefahrenzone stehen.
    Wie unglaublich groß die Pferde auf einmal waren! Nun waren sie schon fast über ihm, doch er stand einfach da, unfähig, sich zu bewegen. Er machte die Augen zu.
    Der Kavalier sah ihn zuerst. Entsetzt riß er sein Pferd herum und stieß dabei mit Ludlows Tier zusammen. Die Hufe krachten aneinander. Das Kind stand so nah, daß es den Geruch der Tiere wahrnahm; ein Pferdeschweif peitschte ihm ins Gesicht.
    Ludlow wurde von diesem raschen Manöver völlig überrumpelt. Als der Kavalier sein Pferd herumriß, stürzte Ludlows Pferd und er mit ihm. Er sah das Kind nicht. Halb benommen und auf seinen Gegner konzentriert, ergriff er den Zügel, sobald das Tier wieder auf die Beine gekommen war, schwang sich in den Sattel und riß es herum. Dann schwang er sein Schwert in einem tiefen Bogen, nicht gegenwärtig, daß da ein Kind im Weg stand.
    Er war so auf sein Tun fixiert, daß er nicht einmal wahrnahm, wie die Klinge einen menschlichen Körper traf und eine kleine hellhaarige Gestalt zu Boden ging. Einige Minuten später konnte er in der Endless Street den Kavaliers-Oberst gefangennehmen. Auf dem Kathedralgelände hatte Edmund Ludlow es sehr eilig. Die Gefangenen, darunter Oberst Middleton, den er soeben im Einzelkampf überwältigt hatte, wurden in den Turm gesperrt. Bald würden sich die Royalisten neu formieren und wieder angreifen. Von Harnham Hill waren zwölf weitere Soldaten zu ihm gestoßen. Ludlow konnte nur hoffen, daß sie in der Dunkelheit für fünfzig Mann gelten konnten.
    Die Sache mit der Frau und dem Kind war unangenehm. Eine hübsche Frau war sie obendrein. Sie war völlig außer sich, lag den Männern ständig in den Ohren, als sie ihre Gefangenen durchs Tor trieben. »Nein, Madam«, schrie Ludlow, »ich habe kein Kind gesehen.« Aber sein Gefangener, der Oberst, rief: »Auf dem Marktplatz. Ein blonder Junge.« Er verzog das Gesicht. »Ich glaube, er wurde

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