Sarum
Vetter des Königs, Prinz Rupert, die royalistischen Landjunker, die Kavaliere, in der neuen schwedischen Taktik des Blitzangriffs ausgebildet, und damit räumten sie alles aus dem Weg. Lord Pembroke war nach London gegangen, und die Herren, die die parlamentarischen Kräfte in Wiltshire führen sollten – Hungerford und Baynton –, waren zerstritten. Überall siegten die königliche Kavallerie und die Infanterie aus Cornwall; die Städte der Grafschaft Wiltshire wurden eine nach der anderen genommen, und im Mai 1643 fegte Seymour, den der König zum Marquis von Hertford ernannt hatte, von Oxford nach Sarum, eroberte die Stadt und hielt den Bürgermeister drei Wochen lang gefangen.
Obadiah hatte sich nach London begeben. Edmund war bei den parlamentarischen Streitkräften – Margaret wußte nicht, wo. Mit den Royalisten aber kam Nathaniel.
»Wie gut für uns, daß ich hier bin und nicht Edmund«, rief er gutgelaunt, als er in die Halle trat. Da in Sarum die Royalisten in der Überzahl waren, wurden die bekannten Anhänger des Parlaments mit Geldstrafen belegt und ausgeplündert.
Welch ein Glück für den Hof! Für die Shockleys blieb er ein Ort der Zuflucht. Aus reinem Zufall hatte William Shockley die alte Walkmühle und das Tuchgeschäft ausgepfändet und seine junge Familie nur einige Jahre vor der schlimmsten Pestplage, die Sarum in Jahrhunderten heimgesucht hatte, auf den Hof gebracht. Diesmal hatte die Pest Avonsford verschont, und die Shockleys waren nicht nur in Sicherheit, sie konnten auch großzügige Vorräte nach Salisbury schicken. Der Hof war reich und ebenso sicher in Zeiten des Krieges wie der Pest. Auf den ersten Blick war das Kirchenschiff verlassen. Erst am Querhaus, wo die großen, leicht geneigten Pfeiler aufragten, gewahrten sie einige Männer, die eingehend mit etwas beschäftigt waren. Als Nathaniel und Samuel näher kamen, machten sie gerade eine kurze Pause und tranken Bier; da lagen schon Teile eines hölzernen Gehäuses auf dem Boden gestapelt, und ein Karren war mit einem halben Dutzend langer Röhren beladen, auf jeder eine mit Kreide vermerkte Zahl. Die große Doppelorgel der Kathedrale wurde abgebaut. »Ich habe letzte Woche mit dem Dekan gesprochen«, erklärte Nathaniel, »und ihm gesagt, daß das geschehen muß. Ich bin froh, daß er meinem Rat gefolgt ist.« Dann zeigte er dem kleinen Samuel die großen Orgelpfeifen und die Stellen, wo die Luft ein- und ausströmte, wodurch der Ton entstand.
»Was machen sie denn da?« fragte Samuel.
Nathaniel lachte. »Sie verstecken die Orgel vor deinem Onkel Obadiah«, sagte er. »Er mag keine Musik.«
Für Samuel war das alles sehr aufregend. Nachdem sie die Orgel begutachtet hatten, brachte Nathaniel ihn über das Kathedralgelände auf den Marktplatz zurück.
Beim Verlassen der Stadt trafen sie ihren Vetter, den jungen Charles Moody.
Vielleicht weil der alte Edward Shockley fünfzig Jahre zuvor ohne Angabe von Gründen seinen Enkel William vor den Moodys gewarnt hatte, trafen die Shockleys ihre katholischen Verwandten dieses Namens selten. Neuerdings aber hatte Nathaniels Unterstützung des Königs Beziehungen zwischen den beiden Familien aufleben lassen. Gelegentlich fuhr einer von Shaftesbury herüber und besprach die militärische Lage mit Nathaniel. Am häufigsten kam Charles Moody. Der verschlossene, empfindsame Zwanzigjährige hielt sich immer eng an Margaret und Nathaniel.
Sie fuhren miteinander nach Avonsford zurück. Samuel hatte seinen Vetter Charles gern und bat oft, mit ihm fahren zu dürfen. Und wenn er damals auch noch sehr jung war, erinnerte er sich später doch immer an diese Fahrt und den Besuch in der Kathedrale. Es war ein herrlicher Tag gewesen.
Seine Schwester jedoch erinnerte sich an das Ende jenes Tages nur mit Trauer. Gleich nachdem Moody sie verlassen und Mary Godfrey Samuel nach oben gebracht hatte, ging sie mit Nathaniel den Abhang hinauf und die Anhöhe entlang. Er meinte im Vertrauen: »Ich glaube, unsere Sache ist verloren.«
»Aber der König ist doch überall siegreich. Bald marschiert er nach London, und das Parlament steht kurz vor der Kapitulation.« Nathaniel schüttelte den Kopf. »Nein«, erklärte er, »König und Parlament kommen zu keiner Einigung; das Parlament wird nicht nachgeben und zusehen, wie seine Führer gehängt werden. Und auf lange Sicht kann nur das Parlament gewinnen. In unserer Strategie liegt ein Fehler. Der König plant, von Norden und Westen her nach London vorzudringen,
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