Sarum
wußte, daß am Glockenturm immer ein paar Soldaten herumstanden, und der Anblick bewaffneter Männer war für Samuel jedesmal aufregend.
Da lehnten auch wirklich drei Soldaten an der Mauer des Turmes neben der Tür und nickten Samuel freundlich zu. Es waren große Männer mit Lederwämsen, und einer trug lederne Reitstiefel. Keiner war in seiner Rüstung, und nur der Mann mit den Stiefeln hatte ein Schwert bei sich. Margaret und Samuel machten einen langsamen Rundgang um die Grünfläche vor dem Haus der Chorsänger. Als der Abend nahte, gingen sie zum Tor zurück. Plötzlich brach vor ihnen die Hölle los. Sie hörten Rufe vom Tor her; eine hohe Gestalt kam aufs Gelände galoppiert, hielt am Glockenturm die Zügel an, starrte nach oben und brüllte: »Idioten! Habe ich euch nicht gesagt, ihr sollt Wache halten?« Margaret erkannte in ihm sofort den schneidigen jungen Kommandeur Edmund Ludlow. Als er sah, daß Margaret mit dem Kind aufs Tor zuging, winkte er sie ungehalten zurück: »Weg vom Tor!« schrie er. »Die Kavaliere kommen.« Da war tatsächlich ein großer Trupp an diesem Tag von Amesbury angerückt, und die Vorhut befand sich bereits in der Castle Street. Die Wache im Glockenturm hatte ihre Pflicht versäumt.
Nun war alles auf den Beinen. Die Männer legten ihre stählernen Brustpanzer an und setzten Helme auf. Von überall kamen Leute aus ihren Häusern, sammelten sich, ungeachtet der zornigen Befehle Ludlows, am Tor und blickten die High Street entlang.
Margaret überlegte, was sie tun sollte. Wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie das Gelände rasch durch das St. Anne’s Gate verlassen und versucht, aus der Stadt zu kommen. Da sie jedoch das fünfjährige Kind bei sich hatte, verwarf sie den Gedanken – sie wollte nicht riskieren, daß Samuel in den Straßen von Salisbury ins Kreuzfeuer geriet. Sie mußten eine Zeitlang in Deckung gehen, am besten in einem Haus möglichst weit vom Turm entfernt. Sie sah sich nach einem bekannten Gesicht um. Ludlow hatte rasch zehn Mann zusammengeholt und schickte sie die High Street hinauf. Nun sammelte er weitere Soldaten. Nach Margarets Schätzung konnten es höchstens zwei Dutzend sein, aber sie machten sich bereit, jeden Augenblick hinter ihm loszumarschieren.
Margaret entdeckte in der Menge schließlich eine ältere Frau, die sie flüchtig kannte. Sie hatte ein Häuschen an der Ostseite des Geländes zwischen St. Anne’s Gate und dem Bischofspalast. Margaret nahm Samuel an der Hand und ging rasch auf sie zu.
Die Frau war erfreut, sie zu sehen. Sie war sofort einverstanden und anscheinend froh über Gesellschaft, und Margaret war erleichtert. Für den fünfjährigen Samuel Shockley gab es nichts Aufregenderes als einen Trupp bewaffneter Soldaten. Er war so begeistert von dieser neuen Situation, daß er sogar die Kälte vergaß. Ludlows Truppe hatte sich einigermaßen formiert, und da Margaret das Problem ihrer Sicherheit vorerst gelöst hatte, ließ sie ihn unbesorgt von ihrer Hand, damit er einen besseren Blick auf die Vorgänge hätte. Die Leute schoben ihn nach vorn.
Wie wundervoll die Soldaten aussahen! Ihre Verkleidung hatte für ihn etwas Geheimnisvolles: die hohen Stiefel, die dicken Handschuhe mit den langen Stulpen, die langen Schwerter, die Brustpanzer, die dumpf aufschienen in dem schwindenden Licht, die stählernen Helme mit den Schutzmasken. Wenn diese mächtigen Gestalten sich in Marsch setzten, konnte ihnen natürlich niemand Widerstand leisten. Als sie durch das Tor in die High Street gingen, folgten ihnen auch zwei Jungen, die neben Samuel gestanden hatten. Niemand hielt sie auf.
Schließlich war die vor ihnen liegende Straße leer. Als der aufgeregte kleine Junge sich gleich darauf an der Fersen der Soldaten heftete, nahm keiner besondere Notiz davon. Also wußte Margaret nicht, daß Samuel in der Dämmerung das Gelände zusammen mit Ludlow und seinen Leuten verließ.
Ein Stück weiter verschwanden die beiden anderen Jungen in einem Haus an der High Street. Samuel, hoch erfreut, daß er mit den Soldaten marschieren durfte, setzte seinen Weg fort.
Links und rechts schlossen die Leute ihr Fensterläden und verrammelten die Türen. Niemand hatte Zeit, sich Gedanken über die seltsame kleine Gestalt auf ihrem einsamen Marsch durch die widerhallende Straße zu machen.
Die High Street war nicht lang; am Ende bogen die Soldaten nach rechts zum Poultry Cross und zum Marktplatz ab.
Edmund Ludlow hatte einen kühnen Plan. Wenn er auch die
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