Sarum
nach Nordwesten und wieder zurückgeeilt, während sie ihm erbarmungslos auf den Fersen blieben. Nun trafen, genau im Zentrum der englischen Midlands, die vereinten Armeen in voller Schlachtordnung aufeinander. Nathaniel ritt an jenem Tag mit der nördlichen Kavallerie an der linken Flanke. Die ganze Armee war aus ihrer gewählten Stellung vorgerückt, denn der ungestüme Prinz Rupert hatte bei der Erkundung die Roundhead-Kavallerie gesichtet und, da er nicht glauben wollte, daß sie sich stellen und kämpfen würde, die gesamte royalistische Armee vorwärts getrieben.
Ihre Position war nun weniger günstig; der Feind hatte sich nicht von der Stelle bewegt, und die Roundheads waren immer noch in der Minderzahl. Nathaniel sah nach links. Neben ihm ritt der junge Charles Moody auf einem Schecken. Nathaniel hielt ihn, wie er versprochen hatte, in seiner Nähe. Er überlegte, ob Edmund sich wohl bei der gegenüberstehenden Armee befinde. Gegen zehn Uhr setzte sich die feindliche Rechte in Bewegung. Prinz Rupert stürmte vor. Er flüsterte den Ruf der Soldaten vor sich hin: »Gott, unsere Stärke.« In der Schlacht von Naseby wurde hart gekämpft. Obwohl die royalistische Armee durch das anfängliche Vorpreschen Prinz Ruperts nicht entsprechend von den Geschützen unterstützt wurde, schien der Sturmangriff auf die feindliche Flanke den Sieg zu garantieren. Wenn der andere Royalistenflügel hätte gleichzeitig ziehen können… Doch ihnen gegenüber lag Cromwell.
Während Rupert die aufgebrochene Linke verfolgte, rückte Cromwells mächtige Rechte vor. Die Royalisten kämpften gut, doch zu der Zeit, als Rupert sein Augenmerk auf anderes richtete, fand er Fairfax’ Armee immer noch in Bereitschaft und Karls Armee in Auflösung begriffen. Er stürmte zurück, um die Soldaten neu zu formieren, doch der König verließ das Feld.
Durch Cromwells erste Attacke wurde Nathaniel zur Mitte hin abgedrängt. Zehn Minuten später waren er und der junge Moody ohne Pferd und hatten sich vor sich eine Kette anrückender Infanterie. Um sie herum tobte die Schlacht.
»Gott, unsere Stärke.« Edmund hatte das Gefühl, daß überall nur Staub war; Staub bedeckte die Männer, die Pferde; Staub auf den Helmen, die nun nicht in der Sonne glänzten, sondern orangefarben glommen. Staub auf den stolz getragenen Farben; Staub auf seinem Schwert. Staub und Blut. In diesem Nahkampf wurde keine Muskete abgefeuert. Man nahm den Gewehrlauf und schwang ihn wie eine Keule. Vor ihm waren sechs Royalisten in ein Handgemenge verwickelt. Er ging auf sie zu.
Der erste hatte ihm den Rücken zugewandt: ein Roundhead, einer von Gottes Soldaten, war vor ihm gefallen. Mit einem Satz war Edmund bei dem Royalisten, sein Schwert zielte geradewegs auf die Niere des Feindes – der perfekte Angriff von hinten. Er stieß zu, fühlte die Klinge durch das Leder tief in den Leib eindringen. Der Mann sank in sich zusammen. Rasch zog Edmund sein Schwert zurück.
Nathaniel, aus dessen Gesicht alle Farbe gewichen war, blickte auf und erkannte in dem Gegner seinen Bruder.
Edmund sah nichts als dieses Gesicht. Er sah nicht die daneben stehenden Royalisten, sah nicht, wie sie zurückwichen, bemerkte nicht seine eigenen Kameraden, die sie mit ihren Hacken vor sich hertrieben. Er blieb nicht stehen, um Nathaniel sterben zu sehen, er sprach kein Wort, sah ihn nicht einmal an. Er ging davon, das Schwert sinnlos in seiner Hand, und wie betäubt schritt er – er wußte nicht, wohin oder wie – durch die Schlacht.
1646: Juni
Margaret war froh, daß sie Edmund bei sich im Haus hatte. Nach Nathaniels Tod bei Naseby hatte sie sich innerlich furchtbar leer gefühlt, und Edmund ließ sie das wenigstens zeitweise vergessen. Seine ruhige Anwesenheit half ihr, wenn der laute Bruder Obadiah sie gelegentlich von London aus besuchte. Dann beschützte Edmund sie, und sie hatte fast den Eindruck, sie seien ähnlich verbunden, wie sie es früher mit Nathaniel gewesen war.
Edmund hatte sich verändert. Es war eine neue Güte in ihm. Täglich lief er Hand in Hand mit Samuel draußen umher. Manchmal spielte er stundenlang mit dem Jungen auf dem grasbewachsenen Damm neben dem Haus.
Edmunds Anwesenheit machte ihr auch deutlich, daß eine neue Ära angebrochen war. Denn bei Naseby war der Krieg tatsächlich gewonnen worden. Es war nicht nur der militärische Sieg über den König; bei seiner überstürzten Abreise hatte Karl nicht nur Gepäck, sondern auch Schatullen mit Schriftstücken
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