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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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richtig, jedem Mann Stimmrecht zu geben«, meinte er. »Aber wenn ein Mann Interesse an seinem Land hat, an Grund und Boden oder an einer bestimmten Menschengruppe, kann ich darin nichts Schlechtes sehen. Ich glaube wirklich, daß es ein Naturrecht sein sollte.«
    »Das kann nur zu einer ketzerischen Demokratie, zum Chaos führen«, rief Obadiah. »Wenn das das Ergebnis unseres Kampfes war – nun, dann hätte ich lieber für den König gekämpft.«
    »Da gibt es Leute im Parlament, die immer noch den König der Herrschaft des freien Mannes vorziehen«, erwiderte Edmund verschmitzt. »Du hast dich verändert«, sagte Obadiah verbittert. »Das stimmt«, gab Edmund zu, »aber mir kommt es jetzt so vor, als hätten wir einen Krieg gegen die Tyrannei des Königs geführt, nur um sie gegen die Tyrannei der Presbyter einzutauschen.« Nach dieser Debatte kam Obadiah nicht mehr so häufig nach Sarum.
    Erst als Samuel erwachsen war, erfuhr er, was sich an jenem warmen Junitag wirklich zugetragen hatte, nachdem Obadiah das Haus verlassen hatte.
    Er erinnerte sich nur noch, daß eine schmutzbespritzte Gestalt zum Haus geritten kam und daß er übers Feld zu Edmund gelaufen war, der gerade mit Jacob Godfrey sprach; daß er Edmund eifrig bei der Hand nahm und zu dem Besucher führte.
    Charles Moody kam geradewegs aus Oxford. Nach der Schlacht von Naseby war er königstreu geblieben, aber nun war die Sache verloren, und er kehrte nach Hause zurück.
    Er wollte Nathaniels Familie seine Aufwartung machen und brachte Nathaniels Schwert. Er hatte es ein Jahr lang ehrerbietig bei sich getragen, und nun legte er es zusammen mit einer Haarlocke Nathaniels vor Margaret auf den Tisch.
    »Verzeiht«, sagte er, »aber nach der Schlacht konnte ich nicht schreiben.«
    Er schluckte.
    Margaret lächelte. Sie verstand ihn. Er war so müde, so blaß, hatte Kummerfalten. Es war traurig zu sehen, was der Krieg aus den jungen Männern gemacht hatte.
    Wovon sprach der junge Moody? Ach ja, er bekundete sein Beileid. Sie nickte abwesend und dankte ihm. »Ich war bei ihm, wißt ihr«, sagte er leise.
    »War es… hat er gelitten?« Sie fühlte, daß sie nicht hätte fragen sollen, aber plötzlich wollte sie es wissen.
    »Es ging rasch, Gott sei Dank.« Er hielt inne, legte seine Hand auf ihren Arm: »Aber daß es ausgerechnet Edmund sein mußte, der…« Was sagte er da? »Edmund?« wiederholte sie fragend. Jacob erschrak: Sie hatte es nicht gewußt! Wieso hatte er angenommen…? Hatte Edmund nie…?
    Gleich darauf kam Samuel fröhlich mit Edmund herein; er starrte seine Schwester erstaunt an; sie war so blaß wie nie zuvor. Der junge Mann in seinem schmutzigen Lederwams wandte sich um und sah Edmund mit flammenden Augen an: »Mörder!« schrie er, bevor er aus dem Haus stürzte.
    Margaret zitterte immer noch, als sie später am Fluß entlangging. Erst nach einer halben Stunde blieb sie stehen, setzte sich auf den Boden und legte den Kopf in die Hände. Nathaniel.
    So blieb sie eine Weile, überdachte die Ereignisse der letzten Jahre, und als Trauer und Zorn ihren Höhepunkt erreicht hatten, begriff sie plötzlich, daß es einen noch tieferen Schmerz als ihren eigenen gab. Und nun erkannte sie, was sie zu tun hatte. Edmund saß allein, ganz still vornübergebeugt auf einer Steinbank in der Nähe des Hauses, als sie zurückkam. In den Händen hielt er eine von Nathaniels langen Tonpfeifen. Als sie näher trat, bewegte er sich nicht, sah sie nicht an. Sanft legte sie ihm den Arm um die hängenden Schultern. »Du Armer.«
    Endlich, nach mehr als einem Jahr, brach Edmund Shockley weinend zusammen.
    1653: Dezember
Ab seinem dreizehnten Lebensjahr hielt Samuel Obadiah für seinen Freund und außerdem für klug. Im Gegensatz zu Margaret war Obadiah gebildet. Und wenn Samuel sie auch nicht weniger gern hatte, so belächelte er doch manche ihrer Ansichten. Im Hinblick auf Margaret nahm Obadiah, genau wie in allen übrigen Fragen, einen festen Standpunkt ein. »Du mußt deine Schwester in Ehren halten, als wäre sie deine Mutter«, erklärte er ihm. Und Samuel hörte den Prediger in jenen Tagen niemals ein Wort gegen sie sagen; allerdings sagte Margaret häufig, wenn sie mit Samuel allein war: »Nimm dich vor Obadiah in acht. Er ist eine Natter.«
    Sie konnte unmöglich recht haben damit. Niemand war so gut zu ihm wie Obadiah bei seinen Besuchen auf dem Hof. Hatte er ihm nicht in jenem Januar ein ehrenvolles Geschenk gemacht – ein in Leder gebundenes Bändchen

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