Sarum
hieß, wenn die Sache sich gut anlasse, könnte die Gesellschaft beachtliche Gewinne erzielen. Auf dieser Basis verkaufte man der Öffentlichkeit Aktien. Bald hatte die Gesellschaft den Großteil der Schulden übernommen – etwa dreißig Millionen. Es war ein gewagtes Spiel, und es entsprach durchaus dem Zeitgeist. Als der Zusammenbruch kam, besaß Shockley glücklicherweise wenigstens auch einen winzigen Anteil an den ursprünglichen Aktien, die für Regierungsschulden ausgegeben worden waren. Der größte Politiker des 18. Jahrhunderts, Robert Walpole, der Licht in die Sache brachte, veranlaßte, daß diese Aktien immerhin zur Hälfte ihres ursprünglichen Wertes von der Regierung eingelöst werden sollten. Die Leute jedoch, die während des raschen Ansteigens der Kurse investiert hatten – Aktien wurden ausgegeben, um Investierende zufriedenzustellen, die längst jeglichen Funken von Verstand verloren hatten –, diese Leute standen schließlich mit leeren Händen da.
Nach diesem Skandal brachte ein Verleger ein Kartenspiel auf den Markt, bei dem jede Karte ein betrügerisches Investitionsschema darstellte, das sich mit dem Zusammenbruch in nichts aufgelöst hatte. Jedes Bild wurde von einem satirischen Vers begleitet. Im Jahre 1725 starb Doktor Shockley, im Jahr darauf – an einer plötzlichen Herzattacke – auch sein Sohn Nathaniel. Das bescheidene Haus nördlich vom Kathedralgelände ging an den jungen Enkel Jonathan, in dessen Händen das geschrumpfte Familienvermögen jetzt lag. Ein paar Jahre später heiratete Jonathan die Tochter eines Kanonikus, ein sympathisches Mädchen mit gutem Leumund, mit dem er glücklich war. Sie brachte genügend Geld in die Ehe, daß die Pacht des ShockleyHauses erneuert werden konnte. Durch den Einfluß seines Schwiegervaters wurde Jonathan als Hauptverwalter der Güter von Sir George Forest angestellt. In dieser Position wurde er zwar wie ein Gentleman, jedoch mit einer unausgesprochenen, kaum merklichen Herablassung behandelt, die ihn daran erinnerte, daß er eben doch nicht mehr als ein Untergebener war. Im Jahre 1735 wurde sein einziger Sohn Adam geboren.
1745
Der zehnjährige Junge platzte beinahe vor unterdrückter Erregung.
Als täglich weitere Neuigkeiten kamen, hielt er auf dem stillen Kathedralgelände nach Reitern Ausschau. Jeden Tag beobachtete er seinen Vater erwartungsvoll: Sicher würde er bald das Familienschwert in die Hand nehmen und sein Pferd besteigen. Der heimliche Plan des jungen Adam Shockley war, ihn zu begleiten.
Prinz »Bonnie Charles« marschierte nämlich von Norden her. Ganz sicher würden die Shockleys sich ihm anschließen. Im Hause der Shockleys wurde kein Gegenstand höher in Ehren gehalten als das Schwert Nathaniel Shockleys, das Charles Moody aus Naseby mitgebracht hatte. Es hing an der Wand über der Treppe und erinnerte den Jungen täglich an die romantische Kavaliers-Ära der Familie. Jetzt war es endlich soweit. Der Sohn des Prätendenten, der verwegene Charles Edward, war auf dem Weg nach Süden. Von der Grenze bis nach Derby hatte sich keine Hand gegen ihn erhoben; das Volk war noch gleichgültig gegenüber der Hannoveraner Herrschaft. Jeden Tag flüsterte Adam Shockley seinem Pony beim Ausritt zu: »Wir werden mitreiten.«
Wie konnte es sein, daß das Kathedralgelände von Sarum immer noch so ruhig dalag?
Es war vorteilhaft, in diesem besonderen Teil von Sarum als Gentleman geboren zu sein; außerdem war es vornehm.
Die Chorsängerschule, die der junge Adam besuchte, wurde von dem berühmten Direktor Richard Hele geleitet und stellte nicht nur die Chorknaben für die Kathedrale, sondern bereitete die Söhne der ansässigen Gentry auch aufs beste für die berühmten Schulen von Winchester und Eton vor. Mr. James Harris wohnte nicht weit von ihnen in einem schönen Haus am St. Anne’s Gate. Der Großvater von Mr. Harris mütterlicherseits war kein Geringerer als der Graf von Shaftesbury. Mr. Harris organisierte die Konzerte in der Kathedrale und in den Gesellschaftsräumen. Es gab auch Bälle, vor allem nach den Pferderennen, die oberhalb des Anwesens von Lord Pembroke in der Nähe des Cranborne Chase veranstaltet wurden; es gab Literaturgesellschaften, Clubs und ein Theater. Selbst der große Komponist Händel hatte dort Aufführungen geleitet.
Täglich konnte man Mitglieder der ansässigen Gentry treffen: die Eyres, Penruddocks, Wyndhams, manchmal sogar jemanden von den Herberts aus dem großen Herrenhaus von
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