Sarum

nicht. Sicher waren sie eine gutausgebildete Streitmacht. Wenn die Infanterie den Befehl zum Angriff erhielt, war das tapfere 62. Regiment allen anderen voraus. Aber es fehlte so viel. Nicht nur das Üben auf dem Exerzierplatz, auch nicht die unterbrochenen Versorgungswege oder der schlecht aufeinander eingespielte Führungsstab. Nein: es lag an der inneren Einstellung der Männer. »Wir bezahlen unsere Leute schlecht, und dann ziehen wir noch die Ausgaben für ihre Uniform, Ausrüstung und anderes von ihrem Sold ab. Sie merken, daß sich niemand um sie kümmert. Und Seelsorger haben sie auch nicht«, beschwerte Adam sich bei seinem Oberst. »Nur die Methodisten, die wir so verachten, kümmern sich um die armen Soldaten.«
    »Die Rebellen sind noch schlechter daran. Kein Amerikaner möchte ihnen Nahrungsmittel geben, weil sie mit ihrem wertlosen Papiergeld dafür bezahlen«, entgegnete der Oberst.
    Aber im stillen dachte Adam: Und wenn sie ein Dutzend Schlachten verlieren – wenn sie uns hier nicht wollen, werden sie eines Tages gewinnen. An seinen Vater schrieb er:
    Wir haben das Fort St. George in bester Marschordnung verlassen; die Armee unter Burgoyne besteht aus etwa achttausend Mann: Major Harnage hat seine Frau dabei, und der General muß sechs Parlamentsmitglieder mitschleppen. Die Männer marschieren wacker; und jede Kompanie darf drei Frauen mitnehmen. Bis jetzt waren wir in jeder Begegnung mit dem Feind erfolgreich; trotzdem haben wir in den Sümpfen um Ticonderoga zweihundert Mann verloren, die meisten fielen durch Scharfschützen, die unseren schwerfälligen, kampfungeübten Leuten ihren Tribut abfordern. Dagegen können wir wenig ausrichten. Und unsere Vorräte werden allmählich knapp.
    Es war Oktober. Am folgenden Tag sollten sie wieder bei Stillwater kämpfen.
    Zweieinhalb Wochen waren seit ihrer ersten Schlacht bei Stillwater vergangen, und seitdem waren sie in Freemans Hof stationiert. Natürlich hatten die Briten gesiegt. Nach einem Tag harten Kampfes nahmen sie den Hof ein. Die Mittelkolonne des 62. Regiments war jedoch fast vernichtet. Major Harnage wurde schwerverwundet vom Feld getragen; der Adjutant, ein Leutnant und vier Fähnriche waren gefallen. Bei Sonnenuntergang waren nur noch sechzig Mann des 62. Regimentes einsatzfähig. Die Rotröcke hatten gewonnen, aber der Preis war zu hoch gewesen. Und die Vorräte waren immer noch nicht eingetroffen. In der Nacht des 6. Oktober 1777 schlief Hauptmann Shockley unruhig. Wo war General Howe mit seiner Armee, wo war Clinton mit den dringend benötigten Vorräten und der Verstärkung? Er erwachte sehr niedergeschlagen.
    Den größten Teil der berühmten Schlacht bei Saratoga erlebte Adam Shockley als Zuschauer; denn das so stark dezimierte 62. Regiment blieb als Wache im Lager, als General Burgoyne um die Mittagszeit des 7. Oktober den Befehl zum Angriff gab.
    Zuerst sah es so aus, als seien die Briten überlegen, bis der stellvertretende amerikanische Kommandeur Arnold, nach einem Streit von General Gates ins Lager verwiesen, unter Mißachtung des Befehls aufs Pferd sprang, sich an die Spitze dreier ihm wohlbekannter Regimenter setzte, die britische Mitte sprengte und das britische Schanzwerk stürmte. In der Dunkelheit konnten sie sich aus dem Lager auf eine Anhöhe am Fluß absetzen. Am nächsten Tag umzingelten die Amerikaner die rechte feindliche Flanke; die übrigen zogen sich nach Saratoga zurück und überließen die Verwundeten den Rebellen. Am nächsten Tag fielen die Amerikaner ihnen in den Rücken. Sie waren von Scharfschützen umgeben.
    An diesem Tag, dem 9. Oktober, verspürte Hauptmann Adam Shockley während der Inspektion einer Barrikade einen stechenden Schmerz in der Schulter – er war von der Kugel eines Scharfschützen getroffen worden.
    Als Saratoga fünf Tage später kapitulierte, war Adam Shockley mit seiner Schulterverwundung einer der wenigen, die von den fünfhunderteinundvierzig Mann des 62. Regiments überlebt hatten. Einige von diesen wurden in den nächsten zwei Jahren nach Virginia geschickt, andere entkamen nach New York. Die Regimentskapelle lief zu den Rebellen über und diente bei einem Bostoner Regiment. Im Jahre 1782 wurde das Regiment neu gebildet und hieß nun, als stehende Regimenter mit den Namen englischer Grafschaften bezeichnet wurden, zufällig »Wiltshire Regiment«.
    Die Niederlage von Saratoga war ein Wendepunkt. Von dieser Zeit an ging es der britischen Regierung nicht um Siege – obwohl die Kämpfe