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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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nein. Unsere Monarchie, unsere Kirche sind alte ehrwürdige Institutionen. Sie bilden…« er suchte nach einem passenden Wort, »… einen Organismus wie der menschliche Körper. Dies, mein Freund, ist die englische Nation. Werft das weg für eine angeblich vollkommene Freiheit, und Ihr verliert vielleicht alles. Kontinuität, ererbte Rechte und Privilegien, mein Lieber, sind genau die Dinge, die eine Nation ausmachen. Wenn wir mit ihnen brechen, entsteht Gewaltherrschaft.«
    »Gut gesprochen, Doktor.« Agnes’ Augen leuchteten bewundernd auf. Barnikel errötete.
    Selbst der innerlich zornbebende, noch immer sprachlose Porteus verbeugte sich steif in seine Richtung, um anzudeuten, daß er mit dem Gesagten einverstanden war.
    »Unsinn!« schrie Ralph. »Jede Generation schafft sich ihre eigene Regierung. Und wenn Ihr an natürliche Menschenrechte und an Vernunft glaubt, dann ist die einzige wahre Regierung eine Demokratie, wo jeder Mann Stimmrecht hat. Wenn Eure Tradition Euch das nicht garantiert, dann werft sie über Bord.«
    Barnikel versuchte ihn zu unterbrechen, doch Ralph fuhr wütend fort: »Und was Eure Monarchie, Euren erblichen Hochadel, Eure Rotten Boroughs, Eure Staatskirche anbetrifft – was hat das alles mit Demokratie zu tun? Weg damit!«
    Das war die Stimme einer möglichen Revolution. Es war Wahnsinn. Barnikel vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Das ist Verrat!« Da Porteus vor ohnmächtiger Wut die Stimme versagte, zischte er die Worte hervor. »Du sprichst gegen den König und gegen die Kirche.«
    »Deine Kirche«, widersprach Ralph, »von der du bezahlt wirst – sind es fünf oder sechs Pfründen?«
    Obwohl es nach den Vorschriften festgelegt war, wie weit voneinander entfernt die Pfarreien eines einzelnen Geistlichen liegen durften, hielt das Porteus nicht davon ab, drei Pfarreien zu betreuen, in denen je ein armer Kurat saß und von denen er ein bescheidenes Einkommen bezog. Diese letzte Kursänderung Ralphs war für ihn noch unerträglicher als das Vorangegangene.
    »Dieses Geld nützte dir sehr«, donnerte der Kanonikus los, »davon habe ich schließlich dein Studium in Oxford bezahlt.«
    »Und das berechtigt dich zweifellos dazu, meine persönliche Meinung zu vereinnahmen«, konterte Ralph zornig.
    Das war der Gipfel. Porteus erhob sich. Seine lange, dürre Gestalt bebte dermaßen, daß das Silber auf dem Tisch klirrte. »Natter!« schrie er. »Du Natter am Busen dieser Familie! Undankbarer Verräter, verlasse dieses Haus, und zwar sofort!«
    Nur Barnikel hatte in diesem Augenblick eine dunkle Ahnung von der Gefahr, in der Ralph Shockley schwebte.
    Später Abend über dem Städtchen Christchurch. Die Prioratskirche lag im Dunkeln, genau wie das kleine, verfallene Kastell auf dem Hügel daneben. Der Avon floß daran vorüber auf den stillen Hafen zu, auch er im Dunkeln. Die weißen Schwäne, die am Ufer nisteten, waren von Finsternis umgeben. Aber eine Lampe leuchtete in ihrer Eisenhalterung an der Straßenecke und erhellte das Kopfsteinpflaster. Licht und Lärm drangen aus dem Gasthaus, das Peter Wilson soeben leicht angeheitert verließ. Er ging durch die schmale Gasse nach Hause. Hinter ihm schloß sich die Tür.
    Peter Wilson war, wie gesagt, nicht mehr ganz nüchtern, aber er war fröhlich, denn man hatte ihn tags zuvor gut bezahlt. Er hatte den Ring gekauft, den er in seiner Tasche fühlte. Nun bog er um die Ecke. Da waren plötzlich lauter Schatten um ihn, und einer davon wurde zu einer großen Gestalt, die ihre Hand auf seinen Mund preßte. Ohne zu überlegen, biß Peter hinein, was einen unterdrückten Fluch zur Folge hatte. Dann sauste ein schwerer Gegenstand auf seinen Kopf nieder. Er ging zu Boden, vor seinen Augen flimmerte es. Ein starker Schmerz hämmerte in seinem Schädel. Zwei Gestalten banden ihm die Hände, und da wußte er, was geschehen war. »Preßpatrouille«, murmelte er.
    »Richtig, junger Herr«, kicherte jemand in sein linkes Ohr. »Jetzt verhalte dich ruhig, bis wir noch mehr von deiner Sorte erwischt haben, sonst kriegst du noch eins mit diesem Knüppel.« Dabei klopfte besagter Knüppel unsanft gegen die anschwellende Beule an Peters Kopf. »Aber ich heirate nächste Woche«, sagte er laut, damit ihn auch alle hören konnten. Dröhnendes Gelächter.
    »Still, ihr Dummköpfe!« Das war ein Oberfähnrich. »Du wirst jetzt mit der königlichen Marine verheiratet, Kamerad.«
    Ralph wartete im Haus von Doktor Barnikel darauf, daß der Sturm sich legte. Agnes und

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