Sarum
auch mager im Vergleich zum blühenden Handel in früherer Zeit.
Ralph wandte nun seine Aufmerksamkeit der Forelle auf seinem Teller zu. »Ein ziemlich kleiner Fisch«, meinte er mit leisem Vorwurf. »So wurde er eben geliefert«, bemerkte Porteus trocken. »Ein hervorragender Fisch«, lenkte Barnikel ein und fing Frances’ dankbaren Blick auf. Das weitere Gespräch verlief angenehm, und selbst der Kanonikus beruhigte sich etwas. Sie sprachen über die Gedichte Walter Scotts und seine ausgezeichnete Zeitschrift, die Quarterly Review, über die Balladen von Wordsworth und über Coleridges Ancient Mariner. Allmählich aber entfachte sich die Glut, aber trotz Ralphs ungehobelten Manieren war es Porteus’ Schuld. Frances bahnte unabsichtlich den Weg, indem sie unbekümmert einflocht, daß sie einen Brief von der Familie ihres verstorbenen Bruders aus Amerika erhalten hätte. Porteus neigte den Kopf und sagte lächelnd: »Ich hoffe, daß es ihnen gutgeht.«
Obwohl er ihre Verbindungen zu der Familie Mason nicht schätzte, machte der Kanonikus eine Ausnahme mit den Shockleys in Amerika, und dies aus zweierlei Gründen: Erstens gehörten sie der Familie seiner Frau an, und sosehr er auch die unloyale Sezession der amerikanischen Kolonien bedauerte, hielt er es doch für seine Pflicht, den Shockleys in Pennsylvania Höflichkeit entgegenzubringen. Zum zweiten waren sie so weit entfernt, daß sie ihm kaum je in die Quere kommen würden. »Der älteste Sohn ist jetzt in einem Internat.«
»Das freut mich zu hören«, meinte Porteus liebenswürdig. Und damit war er am Zug. Mit einem bedeutsamen Blick auf Barnikel bemerkte er kühl: »Mein junger Schwager glaubt, die Amerikaner seien besser daran als wir Engländer.«
Frances und Agnes blickten ängstlich drein, doch Ralph lächelte ungeniert. »Ich sage nicht, daß ich dessen sicher bin«, entgegnete er, »aber immerhin haben sie die Habeaskorpusakte nicht abgeschafft.« Er fixierte Porteus. »Jedenfalls haben sie keinen Premierminister wie William Pitt«, fügte er mit boshaftem Zwinkern hinzu. Barnikel konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Es war eine gute Entgegnung gewesen, denn in der vorangegangenen Dekade, als nach der Französischen Revolution die Furcht vor einem Aufstand in England ihren Höhepunkt erreicht hatte, hob der große William Pitt die alte Habeaskorpusakte auf, und zahlreiche Herausgeber, Autoren und Geistliche wurden ohne Gerichtsverhandlung ins Gefängnis gesteckt. Weitere Maßnahmen wurden getroffen: Jegliche Verbindung zu Frankreich wurde als Verrat gewertet, Zusammenkünfte von mehr als fünfzig Personen wurden für illegal erklärt, und in der Combination Akte von 1799 wurde es den Arbeitern untersagt, Gewerkschaften zu gründen oder in Versammlungen über Löhne oder Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Obwohl der Kanonikus diese Antwort provoziert hatte, umklammerten nun seine Finger die Tischkante so fest, daß sie weiß wurden. Jegliche Kritik an dem Patrioten Pitt tat bei ihm diese Wirkung.
Der Doktor entschloß sich, die Lage zu entschärfen. »Es stimmt, was Ihr sagt. Doch Ihr werdet sicher zugeben, daß das zeitbedingte Maßnahmen waren, hervorgerufen durch die Furcht vor den Franzosen und wahrscheinlich unumgänglich.«
Ralph lächelte. »Ich stimme zu, daß das sicher auf einige zutrifft, doch ich glaube, daß es selbst in einer solchen Situation nicht recht ist, Freiheiten zu unterdrücken.«
»Wahrscheinlich nicht.« Der Doktor blickte aufmunternd um sich. »Wir müssen in jedem Fall auf Frieden hoffen«, fügte er abschließend hinzu. Porteus war aber noch nicht am Ende: »Leider scheint Ralph nichts für Mr. Pitt übrig zu haben.«
Der Jüngere hatte gar nicht die Absicht, einen Streit vom Zaun zu brechen. »Im Gegenteil«, erwiderte er gutgelaunt, »ich spende ihm in vieler Hinsicht Beifall. Bekanntlich ist er für die Abschaffung der Sklaverei und für die Emanzipation der Katholiken. Wenn es in England wirklich keine Sklaverei mehr geben sollte, haben wir Amerika in seinen freiheitlichen Bestrebungen überrundet, das muß ich einräumen.« Tatsächlich war Pitt zurückgetreten, weil der König sich weigerte, Katholiken das Stimmrecht zu erteilen oder sie in Ämter einzusetzen, und der Protestant Wilberforce, der unermüdlich für die Abschaffung der Sklaverei eintrat, war ein enger Freund des Staatsmannes und stützte ihn in jeder Weise. Aber Ralph wußte auch, daß genau dies die beiden Punkte waren, in denen Kanonikus
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