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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ihrem Erstaunen standen die beiden folgsam auf. Sie wollte mit ihnen in die Brown Street zu Mr. Masons Haus gehen. »Kommt nicht in Frage, verdammt noch mal!« Plötzlich war der Vater aus seinem Zustand erwacht und packte die Kinder am Nacken. Er funkelte Jane an: »TemperenzlerHexe!«
    »Er meint’s nicht so, Miss«, sagte das Mädchen. »Klar, mein’ ich’s!« grölte er. Er ließ die Kinder los, ballte die Fäuste und machte, bebend vor Wut, einen Schritt auf Jane zu: »Lauft, Miss!«
    »Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.« Sie blickte ihm ruhig entgegen.
    Er hob die Arme, machte ein paar Schritte und stürzte zu Boden. Zu ihrer Überraschung hörte Jane zwei Tage später, als sie Daniel Mason in dem kleinen Temperenzler-Gebäude besuchte, das er mit eigenen Mitteln im Ostteil der Stadt eingerichtet hatte, daß in Jethro Wilson ein Gesinnungswandel eingesetzt habe.
    »Vielleicht dauert der Prozeß nicht an, aber immerhin ist es ein Anfang«, meinte Mason.
    »Ihr seid wundervoll, Mr. Mason. Wie habt Ihr das nur geschafft?« Er schüttelte seinen großen Kopf und lächelte sie an: »Im Grunde ist das Euer Verdienst.«
    »Meiner? Ich habe nichts getan – nur die Kinder habe ich zu Euch gebracht.«
    »Jethro Wilson erzählt das anders. Seine Kinder sind hier. Sie sprechen unentwegt von Eurer Güte. Man sagte ihm, daß er Euch angegriffen habe.«
    »Nein, er ist nur auf mich zugetorkelt.«
    Mason sah sie verschmitzt an. »Er glaubt aber, er hätte es getan, und der Schrecken ist heilsam für ihn.«
    Sie lächelte. »Wie Ihr wollt. Ist er ein Gewohnheitstrinker?«
    »Nein. Soviel ich weiß, kommt er gelegentlich in die Stadt. Dann trinkt er ein paar Tage extrem viel, bis er so weit ist, wie Ihr ihn gesehen habt. Seine armen Kinder müssen ihn dann in den Karren befördern und nach Hause fahren. Sie schlagen sich wie ausgesetzte Tiere durchs Leben.«
    »Das ist ja furchtbar.«
    »Ja. Aber ich habe eine gute Nachricht.« Mason war ganz aufgeregt. »Er hat sich entschlossen, sie in unsere Obhut zu geben. Er hat sich schon sehr verändert. Kommt mit!« Mason führte sie zu einem kleinen Zimmer, das er dem Mann zur Verfügung gestellt hatte. Jethro Wilson, rasiert und gewaschen, erhob sich höflich von seinem Stuhl. Man hatte ihm eine saubere braune Jacke gegeben. Sie paßte gut zu der glänzenden, rostbraunen Haarmähne, die nun ordentlich nach hinten gekämmt war. Die schwarzen Augen, nun nicht mehr rot und geschwollen, musterten Jane mit seltsamer Eindringlichkeit. »Tut mir leid wegen der Nacht neulich, Miss.« Er war immer noch blaß. Er mußte wirklich sehr viel getrunken haben. »Ist schon vergessen.«
    »Ich hab’s nicht vergessen. Ich hab’ noch nie eine Frau angegriffen.« Eine Frau, sagte er, nicht: eine Lady – als gehörte sie zu seiner Schicht. Aber sie hatte nichts dagegen. »Geht es Euch jetzt besser?« fragte sie. »Es ist weit mit mir gekommen.«
    »Das stimmt. Wann ist Eure Frau gestorben?«
    »Vor drei Jahren«, antwortete er leise, »im Kindbett.«
    »Und Ihr habt niemanden, der sich um die Kinder kümmert?«
    »Eine alte Frau, einen Knecht und seinen Sohn. Sonst ist niemand da – außer während der Ernte.«
    »Wo liegt Euer Hof?«
    »In Winterbourne, am Rand der Ebene.«
    »Wie groß?«
    »Fünfzig Morgen.«
    Sie seufzte. Von allen Möglichkeiten war dies die schlimmste. In den vergangenen Generationen hatte sich vieles in Sarum verändert. Angefangen bei den Dreschmaschinen, die die Aufständischen im Jahre 1830 zunächst zerstört hatten, war die Industrialisierung auf vielerlei Weise bis in die Gegend von Wessex vorgedrungen. Es gab nicht nur Dreschmaschinen, sondern bereits die ersten dampfbetriebenen Pflüge in Wiltshire. »Selbst die Mehrkosten für einen Pflugmann und den zusätzlichen Treibstoff eingerechnet – der dampfbetriebene Pflug gräbt tiefere Furchen für ein Drittel der Kosten«, erklärte Mason. Jane hatte Mason während der Zeit ihrer gemeinsamen Arbeit immer wieder über die Lage befragt.
    »Der Tuchhandel läuft mäßig, und ein Schafzüchter mit tausend Morgen Land in den Downs kann mehr als zwölfhundert Schafe mit nur drei Hirten und ein paar jungen Hilfskräften halten. Es gibt viel mehr Knechte als Arbeit, also sind diese Leute billig zu haben. Unsere Männer sind die am schlechtesten bezahlten Kräfte in der Grafschaft, müßt Ihr wissen. Deshalb wandern sie nach Australien aus, oder sie landen hier im Armenhaus.«
    »Und was ist mit Pächtern wie Jethro

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