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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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jedenfalls war es das einmal gewesen, mit einem niedrigen, einst weißgestrichenen Staketenzaun vor der Fassade. Ein schmaler Fußweg führte von dem kleinen Tor zur Haustür, kaum je benutzt, höchstens anläßlich einer Hochzeit oder eines Begräbnisses. Im Erdgeschoß befand sich ein Raum mit je einem Fenster links und rechts der Türe; drei kleine Fenster im Obergeschoß. Links ein zurückgesetzter Anbau mit einer Tür und verschiedenen, recht willkürlich angebrachten Fenstern. Die Hausmauern bestanden aus Ziegel- und Natursteinen. Hinter dem Anbau erhob sich eine lange, gekalkte Wand, die den Gemüsegarten eingrenzte.
    Es hätte wirklich ein schöner Hof sein können, aber er machte einen durch und durch verwahrlosten Eindruck. Die Farbe blätterte von den Fensterrahmen, und die Wege waren voller Unkraut. Das vom Alter gebleichte Strohdach war teilweise schadhaft. Jane seufzte: Nichts ist trauriger als ein abgewirtschafteter Hof.
    Als Jethro kurz darauf erschien, war er bester Laune. Sein Hemd stand am Hals offen, und er hatte kurze Bartstoppeln im Gesicht. Als er neben sie trat, erschien ihr plötzlich alles in einem besseren Licht. Gleichsam entschuldigend deutete er auf das Haus. »Es gibt eine Menge zu tun, Miss. Wollt Ihr Euch ein bißchen umsehen?« Das wollte sie. Er führte sie zuerst in den eingezäunten Garten. Dort standen zwei Pflaumenbäume und ein Maulbeerbaum, dessen weiche Früchte in einen Korb gesammelt worden waren. Der einzige Birnbaum sah so aus, als würde er bald eingehen. Auf den Beeten wuchsen Kartoffeln und Karotten.
    »Wenn Ihr das Stroh auf dem Dach nicht in Ordnung bringt, wird bald der Mörtel von den Wänden fallen; außerdem dringt Wasser ein, und wenn es friert, gibt es Risse.« Er nickte. »Im Haus gibt es auch viel zu reparieren.«
    »Zeigt mir noch das übrige.«
    Es war ein jämmerlicher Hof, aber er war nicht der einzige dieser Art. Jethros Schafe weideten auf der Anhöhe. Die beiden stiegen hinauf, und Jane begutachtete die Tiere.
    »Alles Southdowns? Keine Hampshires?«
    »Ich kann mir diese Ausgabe nicht leisten«, sagte er leise. »Was ist denn mit der Agrarvereinigung?« erkundigte sie sich. »Können die nicht helfen? Und Euer Pachtherr?«
    Seit mehr als einer Generation hatten sich Kleinbauern zusammengetan, um Maschinen anzuschaffen und Kapital zu investieren. In diesem Sinne hatte Mr. Rawlence kürzlich eine Darlehensanstalt für wohltätige Pachtherren ins Leben gerufen. »Mein Pachtherr ist ein alter Mann. Der will hier nichts mehr reinstecken«, antwortete Jethro. Sie gingen wieder hinunter.
    »Habt Ihr keine Verwandten, die Euch helfen könnten?« fragte sie. Er lachte leise.
    »Verwandte? Die ganze Gegend der fünf Flüsse ist voll davon. Hunderte von uns Wilsons – bis hinunter nach Christchurch, hinauf nach Swindon, glaub’ ich jedenfalls. Ich kenne sie nicht, sie kennen mich nicht. So eine Familie ist das.«
    Weg von der Stadt, auf seinem Grund und Boden, wo er sich so unbefangen gab, ging etwas merkwürdig Anziehendes von seiner großen, kräftigen Gestalt und seinem leisen Humor aus.
    Jethro beobachtete sie schweigend, und sie spürte es. Seltsam: Hier, in diesem armen Weiler, am Rand der offenen Wildnis, bewirkte die Gegenwart dieses halbreformierten Landwirts, eines Trinkers mit seinem einfachen Leben, daß sie sich unbehaglich fühlte, so als wüßte er etwas von ihr, das sie selbst nicht einmal wußte. »Ich trinke jetzt nicht mehr«, sagte er.
    »Das ist gut.« Sie lächelte. »Danke, daß ich Euren Hof sehen durfte.«
    »Wollt Ihr hereinkommen, Miss?«
    »Nein danke. Ich muß zurück.«
    Er brachte sie zu ihrem Pferd, und mit einer Behendigkeit, die sie nahezu aus der Fassung brachte, bückte er sich und hielt ihr die Hände hin, damit sie ihren Fuß darauf setzen konnte. Dann hob er sie seelenruhig in den Sattel.
    Dabei bemerkte Jane, daß sein Backenbart etwas länger und von grauen Fäden durchzogen war. Das verlieh dem einfachen Landwirt eine gewisse Vornehmheit.
    Jane wandte ihr Pferd und ritt langsam und nachdenklich über die Anhöhe zurück.
    Jethro Wilsons Kinder waren bei einem guten MethodistenLandwirt in Barford St. Martin am Grovely Wood untergekommen. Sie machten wenig Arbeit, berichtete Mason, außer daß sie manchmal ziemlich wild waren, »und absolute Heiden, denkt nur, Miss Shockley, Heiden!« Dabei schüttelte er den großen runden Kopf, Jethro schickte regelmäßig das Kostgeld für sie.
    Im Monat November verlor Jane Wilson

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