Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Wilson?«
    »Auch für sie ist es schwierig. Die Gutsbesitzer suchen Pächter, die den Boden verbessern und mit geringem Aufwand das Bestmögliche herauswirtschaften. Deshalb verpachten die Großgrundbesitzer nur auf ein Jahr. Männer wie Jethro Wilson werden hinausgedrängt.«
    »Trotzdem ziehen ständig Leute aus dem Norden zu.« Mason verzog das Gesicht. »Im Grunde sind die meisten Pachthöfe immer noch ein gutes Geschäft, wenn man an die Zukunft denkt. Leider tun das die wenigsten unserer armen Leute. Deshalb kommen die Schotten so schnell wie möglich nach Süden, wenn sie erst herausgefunden haben, wie billig unsere Arbeitskräfte sind.«
    Als Jane mit Jethro Wilson sprach, wurde ihr sofort klar, warum seine Lage so mißlich war: Der Hof war zu klein für gewinnbringende Bewirtschaftung, zu arm, um Verbesserungen daran vorzunehmen. Und der Mann selbst war wahrscheinlich, nein, sicher sogar zu schwerfällig, um etwas zur Rettung der eigenen Haut zu unternehmen. »Mr. Mason sagte mir, daß Ihr uns Eure Kinder anvertrauen wollt.«
    »Aber nicht ins Armenhaus! Das würde ich nie erlauben.«
    »Natürlich nicht.«
    »Mr. Mason meint, ein Methodisten-Landwirt würde sie gegen Kostgeld aufnehmen, und sie gehen dann auch zur Schule, bis ich den Hof wieder in Schuß habe.«
    »Ich verstehe.«
    »Und ich ohne Frau! Es ist wohl am besten so. Jedenfalls fürs erste.«
    »Das glaube ich auch.«
    Jethro wurde nachdenklich. »Ich muß mich selbst wieder in Ordnung bringen, Miss.« Das klang nicht beschämt, eher selbstsicher, was Jane sehr beeindruckte. »Das wäre schön.«
    »Danke, Miss.«
    »Ich möchte gern einmal Euren Hof sehen, Mr. Wilson.« Jane setzte diesen Plan in der folgenden Woche in die Tat um und ritt auf der alten Zollstraße über die Ebene.
    Die Hauptstraßen waren nun mit einer Makadamdecke überzogen, doch die übrigen Straßen waren selten mehr als staubige Wege oder nur primitive Wegspuren, auf denen Jane nun den größten Teil der Strecke zurücklegte. Dann gelangte sie auf Ödland, das sie fast eine Stunde lang in völliger Einsamkeit überquerte, bis sie von einem Hügelkamm aus in einer Senke vor sich das Dorf entdeckte.
    Dies also war Jethro Wilsons Winterbourne. Es gab in Wessex Dutzende von Dörfern mit diesem beziehungsreichen sächsischen Namen. Es lag am Rand der Anhöhe. Beiderseits der einzigen Straße standen strohgedeckte Hütten aus Ziegelstein, Naturstein und Mörtel. Es gab auch eine kleine, turmlose, steinerne Kirche. Hinter den Häusern zogen sich von Hecken gesäumte Felder den Abhang hinauf. Im Kirchhof standen zwei Eiben und gegen Norden ein Windschutz aus Bäumen. Im Umkreis lagen die kahlen Kreidekämme, auf denen die Schafe weideten. Jane ritt langsam hügelabwärts.
    Die Kinder auf der Dorfstraße liefen fast alle barfuß. Von den Hauseingängen her beäugten die Frauen sie neugierig. Seit Jahren hatte dieser verlassene Weiler sicher kein weibliches Wesen mehr im Damensattel die staubige Straße entlangreiten sehen, dachte Jane.
    Das Charakteristische an diesem Ort war der Bach, der Bourne. Er war leer, völlig ausgetrocknet. Nichts als Strohbüschel, Zweige, Nußschalen, Brennesseln und Rüben lagen darin. Von der Straße führten drei Stege über den Graben zu einem Pfad, der an den Hütten vorbeilief. Es liegt in der Natur des Winterbaches, daß er im Sommer ausgetrocknet ist. Doch wenn die Novemberregen auf den Höhen einsetzen, wenn Schnee und Eis das Hügelland bedecken und danach im Frühling die großen Tauwetter einsetzen, dann kommt das Wasser herunter, manchmal als Rinnsal, dann wieder als Sturzbach durch grasige Schluchten, von den weiten kahlen Höhen herab, alles vor sich herschiebend, um schließlich in den Winterbach zu münden. Sechs Monate im Jahr erwachte der stille verlassene Weiler neben dem schäumend dahineilenden Bach zu neuem, pulsierenden Leben.
    Ein Kind geleitete Jane zu Jethro Wilsons Hof, der zweihundert Meter von der Straße entfernt lag. Der holprige Pfad war von Unkraut überwuchert. Janes Pferd schlug einen lebhaften Schritt an.
    »Ich möchte Mr. Wilson sprechen.« Warum kam sie sich plötzlich so unbeholfen vor?
    »Er kommt gleich zurück.« Sie wurde nicht hereingebeten. Offenbar war das die alte Frau, die das Haus versorgte, eine hagere Person mit rotem Schultertuch, harten Gesichtszügen und stechenden Augen. Sie musterte Jane mit einem merkwürdig abwägenden Blick, bevor sie die Seitentür schloß.
    Es war ein typisches Bauernhaus,

Weitere Kostenlose Bücher