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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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einzige Zugeständnis an römische Bräuche. In der offenen Einfriedung waren zwei große Tische aufgestellt, die sich unter der Last der Speisen bogen. Die Männer saßen auf Bänken, und die Frauen bedienten. Porteus hatte den Eindruck, daß die ganze Gegend versammelt war. Die Leute trugen grellfarbige Gewänder und schwere Mäntel, ganz anders als die gepflegten Römer.
    Es waren über fünfzig Menschen, darunter wichtige Handwerker wie Numex und Balba. Das Fest dauerte vom frühen Abend bis in die späte Nacht, und die Männer sprachen den Bergen von Wildbret, Hammel und Wildschwein reichlich zu. Man trank Ale. Die Hitze der zwei gewaltigen Feuer unter den Bratspießen ließ Porteus’ Wangen glühen. Die Männer mit ihren dichten Schnurrbärten prosteten ihm immer wieder mit Bier und Met zu. Während des Mahles war Maeve nicht zu sehen. Als jedoch alle Gäste über Gebühr gesättigt waren, hörte Porteus von draußen den Klang von Glocken und Zimbalen. Zwei Männer liefen zum Tor und taten, als wollten sie es zuhalten, während die Gruppe draußen, Einlaß verlangend, dagegen hämmerte. Nach dreimaligem Bitten wurden die Tore auf Tosutigus’ Befehl geöffnet.
    Die Vermummten kamen unter Beifall herein. Es waren neun; acht trugen glatte, buntbemalte Masken, die Schellen an ihren Knöcheln bimmelten laut, wenn sie aufstampften oder zwischen den Tischen tanzten; zwei hatten Rohrflöten und einer ein Paar Zimbalen dabei. Der neunte Vermummte, ein Koloß, trug einen geschnitzten Stierkopf mit prächtigen Hörnern. Sie tanzten zwischen den sitzenden Gästen, die vor Begeisterung brüllten, als der Stier durch anzügliche Gestik deutlich machte, daß er den Bräutigam darstellte. Auf dem Höhepunkt des Tanzes ging der Stierköpfige auf Porteus zu. Er hielt ihm eine Trinkschale hin, während die Männer riefen: »Trink, Bräutigam, trink!«
    Porteus nahm die Schale und trank. Sie enthielt eine dicke Brühe, die salzig schmeckte. Die Männer grölten. »Was ist das?« fragte er Tosutigus.
    »Ein altes Rezept«, grinste der Stammesfürst. »Milch, Stierblut und Kräuter!«
    Tosutigus stand auf, und die Männer riefen: »Holt die Braut.« Da empfand Porteus abgrundtiefe Verzweiflung. Panik überfiel ihn. Während er die Männer in der Runde mit ihren großen Schnurrbärten ansah, Numex und Balba, die mit runden, feierlichen, von Speis und Trank geröteten Gesichtern nebeneinander auf einer Bank saßen, und die Schale mit dem Trank sah, von dem er soeben gekostet hatte, hörte er Tosutigus wieder sagen: »Jetzt bist du einer von uns.« Da rief etwas in seinem Inneren: Caius Porteus – ist das deine Hochzeit? Sind diese britannischen Bauern jetzt dein Volk? Wirst du nie mehr von hier wegkommen? Was hast du nur getan! Aber es ist deine Hochzeit. Und jetzt kommt deine Braut! Du verpflichtest dich dazuzugehören, wurde ihm plötzlich bewußt. Deine Kinder werden diese Menschen als ihr Volk betrachten! Er wollte schreien: Nein! Niemals! Doch Tosutigus und die Maskentänzer führten die Braut schon herbei. Es war zu spät. Er hatte sich für ein rothaariges Mädchen, ein graues Pferd und eine Truhe voll Goldmünzen verkauft. Er war verloren. Sie trug ein weißes Kleid, goldene Arm- und Fußreifen; ihr zurückgekämmtes Haar wurde von einer goldenen Spange gehalten. Als Tosutigus sie hereinführte, herrschte vollkommene Stille. Und während Porteus die Hand ausstreckte, um Maeves Hand zu nehmen, tröstete er sich bei allem Schrecken über seine Entscheidung mit dem Gedanken: Heute nacht wird sie mein sein.
    Abends brach die ganze Gesellschaft zum Ritt durchs Tal nach Sorviodunum auf; zuvor jedoch führte ein Diener den grauen Hengst heraus und übergab Porteus feierlich die Zügel.
    Dann ritten sie mit brennenden Fackeln durch die Dunkelheit. Bei aufgehendem Mond kamen sie in die kleine Siedlung unter der verlassenen Düne. Porteus trug seine Braut über die Schwelle seiner bescheidenen Behausung. So kam es, daß Porteus, der Römer, in Sarum blieb.
    In den ersten Tagen seiner Ehe erlebte er einige Überraschungen. Die erste war Maeve selbst. Schon in der ersten Nacht stellte sich heraus, daß die Begierden seiner jungen Frau nahezu unstillbar waren. Als sie zum erstenmal allein waren, lächelte Porteus ihr zärtlich zu, um sie nicht zu ängstigen; aber zu seinem Erstaunen warf sich das Mädchen mit einem Aufschrei in seine Arme und gebärdete sich wie eine Wilde. Sie umschlang ihn, zog ihn auf die Matratze und saß lachend

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