Sarum
die schlichte paenulla der Einheimischen. Es waren keine Vorbereitungen für einen Gast getroffen worden. Bei Porteus’ Ankunft war der Hof voller Menschen. Er ging an Balba vorbei, der vor einer Hütte neu gewebte Stoffballen sortierte. Die Männer kleideten mit Hilfe der Frauen die großen kreisförmigen Gruben, die als Kornspeicher dienten, für die kommende Ernte aus. Es herrschte allenthalben geschäftiges Treiben. Tosutigus begrüßte Porteus und forderte ihn auf, ihm in ein kleines strohgedecktes Gebäude am Rand der Einfriedung zu folgen. Er schloß die Tür hinter ihnen.
Es war der Familienschreintempel. Drinnen war es dunkel; das einzige Licht kam von oben, durch eine rechteckige Fensteröffnung. Etwa sieben Meter von der Tür entfernt stand ein kleiner Steinaltar mit einer Holzfigur darauf, in der Porteus am Beiwerk den Gott Nodens, den Wolkenmacher, erkannte. Er senkte ehrerbietig den Kopf. »Nodens beschützt unsere Familie«, sagte Tosutigus. »Jede römische Familie hat ihre Laren und Penaten«, antwortete Porteus.
Seitlich des Schreins befanden sich zwei schwere Holztruhen, die von breiten Eisenbändern zusammengehalten wurden. Tosutigus öffnete umständlich den Deckel der einen und entnahm ihr ein altes keltisches Eisenschwert. »Dies ist das berühmte Schwert, das mein Ahn, Coolin der Krieger, besaß«, sagte der Kelte. »Seine Braut hieß Alana; sie war die letzte Erbin des alten Hauses von Krona, der den Steintempel erbauen ließ.« Tosutigus ließ den Deckel der Truhe schwer ins Schloß fallen. Er wandte sich Porteus zu.
»Wir sind keine Senatoren in Rom«, sagte er langsam – und Porteus wurde klar, daß er über Gracchus Bescheid wußte –, »aber wir gehören zu den ältesten Familien auf dieser Insel und haben unsere Ehre.« Er ging zur zweiten Truhe. Langsam öffnete er den Deckel, und Porteus sah zu seinem Staunen, daß sie randvoll mit Münzen gefüllt war: nicht etwa mit Bronzesesterzen, sondern mit Goldmünzen – aurei – und Silberdenaren. Porteus überschlug im Geiste den beträchtlichen Wert des Truheninhalts, unbesteuerte Gewinne aus über mehr als zwanzig Jahren. Der Fürst schloß die Truhe wortlos.
»Meine Tochter ist ein gutaussehendes Mädchen«, meinte er dann. »Sie ist schön«, stimmte Porteus zu.
»Ich suche einen Mann, der ihrer würdig ist«, sagte Tosutigus. Porteus verneigte sich ehrerbietig.
Tosutigus äußerte sich nicht weiter; offensichtlich war die Unterredung beendet. Porteus machte ein paar höfliche Bemerkungen über die Familie des Stammesfürsten und verabschiedete sich. In den folgenden Tagen dachte er eingehend über seine Lage nach: Er hatte seine Stellung verloren; er hatte Lydia verloren; ihm wurden eine wunderschöne einheimische Braut und ein reicher Landsitz angeboten. In meiner gegenwärtigen Lage wäre es töricht, abzulehnen, gestand er sich ein.
Doch dann dachte er an den vertrauten Himmel über seinem Familiengut im Süden Galliens oder an Rom mit seinen vornehmen Basiliken, den Theatern, seiner Weitläufigkeit. Er verglich das prunkvolle Haus des Gracchus mit dem Anwesen dieses Stammesfürsten, der im Grunde kaum mehr als ein Landwirt war.
Während er so unschlüssig war, vermied er möglichst jede Begegnung mit Maeve und Tosutigus. Da kam ein Brief seines Vaters.
Leider, mein lieber Sohn, kann ich Dir in dieser schwierigen Zeit Deines Lebens keine erfreulichen Nachrichten übermitteln. Unser Aufseher hat durch unglückselige Transaktionen nicht nur einen Verlust an Einkünften verursacht, sondern auch ein Gerichtsverfahren, das, wie ich fürchte, sehr kostspielig wird. Ich mußte den Weinberg, den Olivenhain und die zwei besten Gehöfte verkaufen. Es tut mir leid, Dir sagen zu müssen, daß Dein Erbe sich sehr verringert hat.
Wir sind zwar noch nicht völlig ruiniert, aber das Gut kann uns nicht mehr ernähren. Laß uns hoffen, daß einer von uns beiden im kommenden Jahr einen Weg findet, unserer Familie wieder zum Wohlstand zu verhelfen. Verzweifle nicht. Dein Dich liebender Vater.
Auf gewisse Weise war Porteus erleichtert. Jetzt wußte er zumindest, was er zu tun hatte. Sarum war sicher nicht Rom, aber es war alles, was er hatte.
Bald nach der Ernte legte er seine schönste Toga an, ließ den Diener das Pferd glänzend striegeln und ritt zum Anwesen des Stammesfürsten.
Die Hochzeit fand auf Tosutigus’ Besitz statt. Das Stammesoberhaupt und Porteus trugen Togen, ebenso die drei Legionäre, die ihn begleiteten. Dies war das
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