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Sascha - Das Ende der Unschuld

Sascha - Das Ende der Unschuld

Titel: Sascha - Das Ende der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Claus
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grenzenlos zärtlichen Geste einige nasse Strähnen seines Haares aus der Stirn. Dabei wandte er keinen Moment seinen Blick von Saschas Gesicht. Kurz schien es, als würde sie etwas nicht Greifbares miteinander verbinden. Saschas Herz klopfte plötzlich heftiger und er wusste nicht, warum das so war. Er hatte den etwa Fünfundvierzigjährigen niemals vorher gesehen, trotzdem fühlte er sich auf eine eigenartige Weise zu ihm hingezogen. Er erschrak darüber so sehr, dass er nach diesen wenigen, sonderbaren Sekunden hastig einen Schritt zurücktrat.
    „Schon gut. Vergessen Sie’s.“
    Dann drehte er sich einfach um und ging weg, ohne noch einmal zurückzuschauen. Er fuhr mit der Straßenbahn nach Hause und dachte die ganze Fahrt über an diesen Fremden.
    Er glaubte noch immer dessen feine, ebenmäßige Gesichtszüge mit den hohen Wangenknochen, seine hellen Augen und die schön geformte, gerade Nase zu sehen. Ganz in Gedanken strich er sich die Haare aus der Stirn.
    Die anderen Menschen in der Bahn nahm Sascha kaum zur Kenntnis, er war in Gedanken schon zu Hause. Er wollte sich endlich in sein Bett legen und über sein Erlebnis nachdenken.
    Was war es, das ihn mitten ins Herz getroffen hatte? Er hatte so etwas noch nie erlebt, aber er wollte es mit jeder Faser seines Körpers bedingungslos zulassen und bewahren.
    In Wesseling angekommen, legte er die letzten Meter zu Fuß zurück. Zu Hause entledigte er sich seiner feuchten Sachen, ließ sie einfach vor dem Bett liegen und verkroch sich unter die Bettdecke. Er presste das Kopfkissen, das einmal Stefanie gehört hatte, vor die Brust und langsam wurde ihm wärmer. Mit der Wärme kam auch die Müdigkeit zurück und er schlief mit dem Gedanken an diesen fremden Mann ein, der es verstanden hatte, ihn mit nur einer einzigen, harmlosen Berührung in eine solche Verwirrung zu stürzen.
    ✵
    Am nächsten Morgen, als Sascha erwachte, hielt er noch immer das Kissen in seinen Armen. Sofort versuchte er, die Gefühle des vergangenen Abends noch einmal nachzuvollziehen. Enttäuscht stellte er fest, dass die Stimmung vergangen war. Jetzt kam ihm die Begegnung unwirklich vor, als habe er lediglich einen Film gesehen, der ihn sehr aufwühlte.
    Was ihm trotzdem blieb, war die Erinnerung an einen winzigen Moment einer unerklärlichen Vertrautheit. Diesen Moment konnte er einfach nicht vergessen, auch wenn die sehnsuchtsvoll schwärmerische Anwandlung vergangen war.
    Unlustig stand er auf, ging in die Küche. Ihm war flau im Magen und er überlegte angestrengt, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte. Es musste Ewigkeiten her sein, deshalb öffnete er seinen Kühlschrank. Dort drinnen sah es ziemlich traurig aus. Ein vertrocknetes Stück Leberwurst, sauer gewordene Milch, Schimmelkäse, den er irgendwann einmal als Frischkäse gekauft hatte, und einige Flaschen Bier, ansonsten strahlte das helle Licht nur über wenig nahrhaftes Glas und kalorienarmen Kunststoff. Grob warf er die Tür wieder zu. Sein Brot hatte Wellen geschlagen und war so hart, dass er sich daran die Zähne ausgebissen hätte. Er warf es weg. Irgendwo trieb er dann doch noch eine Dose Thunfisch auf, die er essen konnte und sah sich anschließend gezwungen, einkaufen zu gehen.
    Er ließ sich Zeit, schließlich war sie das Einzige, das er im Überfluss zur Verfügung hatte. Am frühen Nachmittag machte er sich auf den Weg. Er ging zur Bank und stellte fest, dass sein Guthaben, das er von der Ablösesumme übrig hatte, ihn auch bei sparsamster Lebensführung nur noch einige wenige Monate über Wasser halten würde. Er musste sich Arbeit suchen. Aber mit dieser Feststellung verdrängte er das Thema. Ihm war das alles vollkommen gleichgültig. Wenn der Zeitpunkt da war, würde es noch früh genug sein, sich damit zu beschäftigen.
    Er hatte sich den Einkauf der Lebensmittel fest vorgenommen, aber nachdem er Geld abgeholt hatte, ging er zum Bus. Er fuhr nach Köln und lief dort wie so oft in letzter Zeit am Rhein entlang. Als er schließlich einkaufen wollte, waren die Geschäfte geschlossen. Auch das war ihm egal. Er beobachtete die Menschen in ihrem hektischen Feierabendgetümmel und fühlte sich als Außenseiter. Er gehörte einfach zu niemanden, keinen der anderen interessierte es, ob es ihm gut ging oder nicht, niemand gab auch nur einen Pfennig für ihn. Manchmal hatte er das Gefühl, unsichtbar zu sein, in dieser Welt gar nicht zu existieren und das Leben der geschäftigen Menschenameisen heimlich und unerkannt

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