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Sascha - Das Ende der Unschuld

Sascha - Das Ende der Unschuld

Titel: Sascha - Das Ende der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Claus
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das für ihn gleichzeitig Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu verkörpern schien. Aber die finstere Tiefe stieß ihn auch ab.
    Seine schwermütigen, schwarzen Augen drückten die Erfahrung eines langen Lebens aus, als er sich jetzt umdrehte, um weiterzugehen. Er hatte nicht mehr die Energie, aus dieser melancholischen Gemütsverfassung herauszukommen. Zu schnell hatte er erwachsen werden müssen und zu erbarmungslos zerfraßen die in ihm vorhandenen Schatten seiner allzu früh verlorenen Illusionen seine Seele. Langsam verließ er die Brücke, ging hinunter zum Rheinufer. Dicht am Wasser lief er, bis er sich schließlich unter ein paar Bäumen ins Gras setzte. Seine Gedanken schweiften ab, ihm fiel ein, wie er als Zwölfjähriger an der Eiche hinter den Wohncontainern saß und sich unverstanden glaubte. Nicht einmal ganz acht Jahre war das her und doch kam es ihm vor wie eine Ewigkeit.
    Es wurde langsam dunkel, nun zogen schwarze Wolken auf. Es dauerte nicht lange und schwere Regentropfen klatschten auf das warme Erdreich. Es roch nach Sommer und nassem Laub. Eine leichte Nebelschicht bedeckte den Boden, wo die Temperaturen des vergehenden Tages den Regen verdunsten ließ. Sascha stand auf, breitete die Arme aus und schloss die Augen. Die Tropfen durchdrangen seine Kleider, er fühlte die Feuchtigkeit auf seiner Haut und blieb mit geschlossenen Augen stehen. Dann begann er von Neuem zu laufen. Seine mittlerweile wieder etwas längeren Haare klebten in seinem Gesicht, Wasserperlen hafteten in seinen Wimpern, tropften von seiner Nase und hinterließen Spuren in seinem schmalen Gesicht. Es sah aus, als könne er wieder weinen.
    Er folgte scheinbar blind der Straße, mittlerweile trug er die durchgeweichten Schuhe in der Hand. Bis er am Waidmarkt ankam, hatte es aufgehört zu regnen. Er machte halt, sah wie erwachend am Polizeipräsidium hoch und drehte um. Er ging durch die Georgstraße wieder Richtung Rhein und kam gerade auf die Trinitatis Kirche zu, als es erneut zu tröpfeln begann. Doch dieses Mal war der Schauer unangenehm kühl. Sehr schnell wurde er wieder stärker, die Tropfen prasselten auf den Asphalt, als wollten sie den Teufel aufwecken.
    Sascha floh zum Eingang des Gotteshauses, was eher eine Verlegenheitshandlung als von ihm vorgesehen war. Er wollte sich so gut es ging unterstellen, denn er begann heftig zu frieren. Zitternd schaute er auf die glänzende Straße, in der sich das Laternenlicht widerspiegelte. Er fühlte sich schwach und war müde, deswegen schläferte ihn das gleichmäßige Rauschen ein. So saß er bald vollkommen zusammengezogen am Fuß der Mauer und beobachtete matt die vorübereilenden Passanten. Schließlich war er eingeschlafen.
    „Hallo, junger Mann. Hey, Sie. Sie werden sich eine Erkältung holen, wenn Sie hier im Nassen sitzen.“
    Eine Stimme drang in Saschas wirren Traum ein, es dauerte eine Weile, bis er den Mann im altmodischen, aber perfekt sitzendem Trenchcoat direkt vor sich realisierte. Dieser hielt seinen riesigen, schwarzen Schirm über sich und Sascha und streckte diesem jetzt die freie Hand entgegen.
    „Kommen Sie, ich helfe Ihnen. Sie müssen aufstehen. Sie können hier nicht bleiben.“
    Obwohl er es gar nicht wollte, ließ Sascha sich hochziehen. Sein durchnässter, viel zu schmaler Körper schmerzte und er hatte einige Mühe, sich aufzurichten. Der etwa gleich große Mann sah in sein Gesicht.
    „Mein Gott, Sie sehen nicht gut aus. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
    Der Anflug eines Lächelns huschte über Saschas Gesicht, dann schüttelte er den Kopf.
    „Mir kann keiner helfen. Danke.“
    Dann wollte er an dem Fremden vorbeigehen. Aber dieser hielt ihn am Arm fest.
    „Was soll das?“, beantwortete Sascha diese Geste scharf.
    Der Mann zog die Hand zurück, als habe er sich verbrannt.
    „Entschuldigung, ich wollte nicht ... kann ich wirklich nichts für Sie tun? Sie sehen nicht so aus, als sollten Sie jetzt allein sein.“
    „Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?“
    „Nein, es wäre mir furchtbar, wenn ich Sie in diesem Zustand hier zurücklassen müsste. Kommen Sie, da hinten steht mein Wagen. Dort können Sie sich ein wenig aufwärmen.“
    Sascha glaubte zu verstehen.
    „Nein, ich habe kein Interesse.“
    „Kein Interesse an was?“
    Mittlerweile standen sie unter der Straßenbeleuchtung und schauten sich direkt in die Augen. Völlig unerwartet und wie in Zeitlupe hob der Mann die Hand und strich Sascha mit einer flüchtigen, aber

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