Sascha - Das Ende der Unschuld
Raufen zusah. Gerade hatte er seinen Zigarettenstummel weggeworfen, trat ihn aus und ging über den Grünstreifen Richtung Straße, als der Schreck ihn wie ein Schlag in die Magengegend auf einer Stelle festnagelte.
Direkt vor der Tür des Hauses erkannte er einen dunkelgrünen Mercedes mit runden Scheinwerfern, wie er ihn zuletzt in Claus’ Auffahrt gesehen hatte. Sein Blick suchte die Umgebung ab, aber er konnte den Fahrer nirgends entdecken. Es war wohl doch nicht Claus David, schließlich fuhr er auch nicht als Einziger ein solches Auto. Er ging trotzdem zum Wagen und schaute hinein, konnte jedoch nichts erspähen, das ihm Auskunft über den Besitzer hätte geben können. Sascha richtete sich auf und wollte Richtung Haustür gehen, als er beim ersten Schritt gegen Claus prallte.
„Oh... T’schuldigung.“
Sie sahen sich an. Dann war es Claus, der sich als erster wieder gefasst hatte. Dabei war er nur gekommen, um zu sehen, wo Sascha wohnte und vielleicht einen heimlichen Blick auf ihn zu werfen. Dafür hatte er gegen seine Gewohnheit sogar sein Büro pünktlich um fünf verlassen.
„Guten Tag, Sascha. Ich wollte Sie und Ihre Frau zum Essen einladen. Ich habe mir erlaubt, Ihre Adresse aus dem Telefonbuch herauszusuchen“, improvisierte er.
„Essen? Ehm ... jetzt?“
Sascha sah wirklich nicht sehr intelligent aus, als er diese Worte sagte, um Zeit zu gewinnen.
„Wenn Sie natürlich etwas anderes vorhaben ... ich will nicht ... vielleicht ein anderes Mal.“
Claus zückte den Autoschlüssel und wollte gerade aufschließen, als Sascha sich endlich gesammelt hatte. Er zeigte auf seinen Jogginganzug und antwortete schnell:
„Nein. So war das nicht gemeint. Ich war nur ein wenig überrascht, Sie hier zu sehen. Natürlich gehe ich mit. Ich muss mich nur umziehen. Kommen Sie kurz mit hoch?“
Claus zögerte. Dann sagte er sich jedoch, dass sich oben in der Wohnung Saschas Frau aufhielt. Er musste also keine Angst vor seinen eigenen Trieben haben; gemeinsam fuhren sie jeweils mit eigenen, unübersichtlichen Gedanken beschäftigt schweigend im Fahrstuhl hoch. Claus hoffte, Sascha würde keine falschen und damit eigentlich die richtigen Schlüsse aus seinem Hiersein ziehen und Sascha überlegte angestrengt, wie er die Abwesenheit seiner Frau erklären konnte, ohne der offensichtlichen Lüge überführt zu werden. Allein in einem waren sie sich beide ganz im Geheimen einig. Nämlich darin, dass sie, egal wie es ausgehen würde, froh über das unverhoffte Wiedersehen waren.
Sascha ging voraus, sammelte seine Wäsche, Socken und eine Jeans vom Sessel und bot Claus Platz an. Dieser ließ sich nieder und sah sich in der ziemlich unaufgeräumten Wohnung um.
„Ist Ihre Frau nicht hier?“
„Nein, sie ist für ein paar Tage bei ihren Eltern.“
„Ach so ist das.“
Claus begann innerlich zu beben. Er war allein mit Sascha, allein mit dem Jungen, den er mehr als alles andere begehrte. Und das in einer Wohnung, welche ihn nicht wie sein eigenes Heim in die Netze der anerzogenen Selbstbeherrschung hineinzwang. Hier erinnerte ihn nichts an seine Mutter und er hörte auch nicht ihre imaginäre, mahnende Stimme.
Sascha war im Schlafzimmer, hatte sich bereits des Shirts entledigt, als ihm einfiel, dass er Claus wohl etwas anbieten musste. Mit nacktem Oberkörper ging er zurück, blieb in der Tür stehen und fragte, ob er etwas trinken wolle.
„Oh, das ist nett. Wasser vielleicht, wenn Sie haben ...“
Claus hatte sich während des Redens umgedreht und mitten im Satz abgebrochen. Er schaute Sascha an und dieser fühlte sich unter diesem Blick plötzlich vollkommen nackt.
„Okay.“
Schnell verschwand er Richtung Küche und ließ einen vollkommen verwirrten Claus zurück, der vergeblich gegen das Verlangen anzukämpfen suchte, welches ihn heftig ergriffen hatte. Sascha seinerseits hatte den Ausdruck in Claus’ Augen gesehen. Und er wusste ihn genau einzuordnen, schließlich kannte er diesen Blick in hunderten von Varianten. Es gab für ihn nun keinen Zweifel mehr, Claus war schwul.
Jetzt stand er vor dem Kühlschrank und stellte sich vor, was geschehen würde, wenn er es einfach versuchen würde. Schließlich war das direkte Ergebnis seiner Überlegungen, dass seine eigene Erektion sich gegen die Jogginghose drückte. Seine Versuche, dagegen anzukommen, blieben erfolglos. Und so goss Sascha Wasser in ein Glas und verließ die Küche. Er drückte dem immer noch im Sessel sitzenden Claus das Glas in die Hand.
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