Sascha - Das Ende der Unschuld
getrennt hatten, weil Adrian scheinbar aus heiterem Himmel auf Männer stand, aber das hatte ihr nie etwas ausgemacht. Sie verteidigte ihren Vater sogar, wenn die Mutter in dieser Richtung einmal schlecht von ihm sprach. Sie hatte keinerlei Ahnung davon, wie genau er sein Geld verdiente oder seine Freizeit verbrachte. Noch nie war sie im Haus des Vaters gewesen, er hatte dies immer vermieden, indem er sie außerhalb traf oder zu ihr und seiner Exfrau nach Hause kam.
Deshalb war sein Privatleben bisher ein Buch mit sieben Siegeln, sie hatte lediglich eine selbst entworfene Vorstellung vom Leben ihres Vaters. Deshalb passte es auch nicht in ihr Bild, dass ihr Vater mit einem viel zu jungen Partner zusammenlebte, den er ausnutzte und dem er auch noch Drogen verschaffte. Sascha fuhr unterdes fort:
„Was ist? Wusstest du nichts von mir? Macht nichts, ich wusste auch nichts über dich.“
Sascha grinste und verfiel wieder in emotionsloses Schweigen.
„Du bist doch höchstens vierzehn, oder?“
Sascha reagierte kaum, sein Grinsen verstärkte sich lediglich und sie glaubte, Bescheid zu wissen.
„Deshalb wollte er also nicht, dass ich herkomme. Er hat mir gesagt, du bist der Sohn eines Geschäftsfreundes und nur vorübergehend hier. Ich sollte auch nicht mit dir sprechen und mir nur das Geld geben lassen. Mein Vater hat mich belogen, um mir nicht sagen zu müssen, dass sein Freund jünger ist als seine Tochter. Aber warum nimmst du denn nun die Tabletten? Mensch, du musst davon weg. Sonst wirst du süchtig.“
Wie zur Bestätigung dieses Satzes bekam Sascha jetzt Atemnot und zerrte sich das T-Shirt so hastig vom Hals weg, dass es bis zur Brust einriss. Dann sprang er jäh auf, lief zum Fenster und öffnete es, um die frische Luft in seine Lunge zu pumpen. Dann erst wurde er langsam wieder ruhiger. Er drehte sich um.
„Warum interessiert dich, was aus mir wird? Wir kennen uns doch gar nicht. Und was ist falsch an Pillen, nach denen es einem besser geht? Sucht ist, wenn man klauen muss, um sich einen Schuss zu besorgen. Aber ich krieg die Tabletten ganz einfach von Adrian, red’ also keinen Scheiß.“
Er schaute Jennifer mit seinen in dem schmalen Gesicht ungewöhnlich groß wirkenden, schwarzen Augen an. Sie war beeindruckt von diesem wissenden und doch kindlichen Blick, den sie in ihrem Alter dahingehend natürlich noch nicht zu deuten wusste. Sie war erst fünfzehn, aber Sascha weckte trotz seines grob ablehnenden Verhaltens Sympathie und eine Art von Schutzinstinkt in ihr.
Genau in diesem Moment, in dem sich ihre Empörung das erste Mal in ihrem jungen Leben gegen den Vater richtete, nahm sie unbewusst die Verantwortung auf sich. Sie hatte begriffen, dass Adrian an Saschas Situation Schuld hatte, auch wenn sie noch lange nicht alles wusste.
Ihr Vater purzelte in dieser halben Stunde vom Podest des trotz Scheidung mustergültigen Papa in das Tal derjenigen Durchschnittsmenschen, die durchaus Fehler machen konnten. Jennifer fühlte sich in die Pflicht genommen, Sascha zu helfen. Die Jugend gab ihr das oft unvernünftige schwarzweiße Denken, das sich in diesem Fall jedoch positiv für Sascha auswirken konnte.
Bisher war ihr Leben sehr behütet, man las ihr die Wünsche von den Augen ab. Trotzdem oder gerade deswegen hatte sie ihre genauen Vorstellungen von Gut und Böse. Sie verfügte über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und genau dieser diktierte ihr das weitere Verhalten.
„Du bist derjenige, der Blödsinn redet. Wenn du das Zeug über ein Jahr nimmst, bist du schon süchtig.“
„Was kümmert dich das denn? Nerv mich nicht an.“
In diesem Moment hörten beide das Telefon von unten. Sascha machte sich schwerfällig auf den Weg hinunter. Wieder war Adrian am Apparat. Er fragte, ob seine Tochter das Geld bekommen habe und Sascha wollte eben den Hörer weiterreichen, als er die abwehrende Geste von Jennifer wahrnahm.
„Sie ist schon wieder gegangen. Ich habe ihr das Geld gegeben wie du es mir gesagt hast.“
Jennifer nickte zustimmend. Dann setzte sie sich auf einen Sessel und hörte dem folgenden Gespräch zu. Adrian teilte Sascha mit, dass der Klinikaufenthalt sich verlängerte, man habe nachträglich eine Verletzung der Milz festgestellt.
„Aber wie lange wirst du denn wegbleiben?“
„Es kann bis zu zwei Wochen dauern.“
Sascha fuhr der Schreck in die Glieder, diesmal jedoch nicht nur wegen der Sorgen, die er sich um Adrian und seine eigene Zukunft machte.
„Aber ich habe keine
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