Sascha - Das Ende der Unschuld
geschafft und es war kein Problem für ihn gewesen. Niemand hatte ihm weh getan, das allein zählte. Es war gegen seine bisherigen Erfahrungen wahrhaftig eine Kleinigkeit gewesen.
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Auf diesen ersten Kunden folgten eine Menge anderer. Für Sascha entwickelte sich auch weiterhin diese eigentümliche Abhängigkeit von Adrian, die aus der Gewöhnung an die unmenschliche Konstellation erwuchs. Fast nie musste der Mann zu Strafmaßnahmen greifen. Sascha hatte resigniert, seine Angst vor den drei brutalen Vergewaltigern ließ ihn seine eigenen Ansprüche ganz herunterschrauben. Dafür wurde er süchtig nach Adrians Anerkennung, glaubte wie zum Selbstschutz noch fester daran, den Älteren zu lieben. Er steigerte sich in diese angebliche Hingabe hinein, denn sie war sein letzter Anker, um nicht völlig zu verzweifeln.
Scheinbar ganz nebenbei rutschte er außerdem in eine Drogenabhängigkeit hinein. Der Zuhälter hatte einen Sensor dafür, wann der Junge welche Stimulans brauchte und gab ihm dann die erforderliche Dosis.
Für Sascha war das ganz selbstverständlich geworden, er dachte nicht darüber nach, welche Folgen dies alles für ihn haben würde. Es war sein Leben, anders kannte er es nicht mehr. Es war sicher nicht lebenswert, aber sehr übersichtlich.
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So verging beinahe ein Jahr. Elf Monate, in denen Adrian sich schon allein an Sascha eine goldene Nase verdiente. Die Dienste des hübschen, mittlerweile fast Vierzehnjährigen waren teuer. Der Junge arbeitete viel, auch wenn nur ausgesuchte Freier in Adrians Haus zu ihm vordringen konnten.
Dann kam dieser Abend, der wieder einmal alles ändern sollte. Sascha war allein im Haus und hatte bereits einen Freier hinter sich. Adrian konnte ihn ohne Komplikationen allein lassen, Sascha war programmiert darauf, einfach nur zu funktionieren, ohne an Flucht oder Ähnliches zu denken. Inzwischen war er Drogen der verschiedensten Art gewöhnt. Sie halfen, sein Leben erträglicher zu machen.
Eben warf Sascha sich drei Captagon ein und wartete auf den nächsten Kunden. Es war beinahe einundzwanzig Uhr und eigentlich hätte sowohl der Kunde als auch Adrian im Haus sein müssen. Sascha machte sich keine Gedanken über das Ausbleiben beider Männer. Er saß im Schneidersitz auf seinem Bett, schaukelte wie nach einer nur für ihn hörbaren Musik vor und zurück und starrte die ganze Zeit auf die obere, linke Kante des Schrankes. Dazu kaute er Chips. Erst als das Telefon im Erdgeschoss klingelte, schaute er wie erwachend auf die Uhr. Dann spurtete er los. Atemlos riss er den Hörer an sein Ohr. Adrian war am Apparat. Er rief aus der Klinik an, wohin man ihn nach einem leichten Autounfall gebracht hatte. Er nahm sich keine Zeit für lange Erklärungen, sondern beorderte Sascha mit ein paar Sachen zu sich. Von einer Minute zur anderen war dieser durch die Captagon begünstigt in heller Aufregung. Er warf Toilettenartikel, Handtücher und Adrians Morgenmantel in eine Tasche und bestellte ein Taxi. Schon eine dreiviertel Stunde später saß er neben Adrians Bett. Dieser hatte einen Arm in Gips und sah mit seiner Halskrause nicht sehr beweglich aus.
Der Anblick war aus irgendeinem Grund zuviel für Sascha, zitternd hätte er wohl geweint, wenn er noch Tränen gehabt hätte. Aber weinen konnte er schon eine ganze Weile nicht mehr. Er hatte aber auch ohne diese sichtbaren Zeichen schreckliche Angst um Adrian, sah sich allein und ohne Schutz und wurde sich klar darüber, an welch seidenem Faden sein gesichertes Leben hing. Nicht eine Sekunde lang hätte er eine eventuelle Trennung von Adrian als Befreiung empfunden.
Der Ältere drückte kurz seine Hand und sprach ein paar tröstende Worte. Dann gab er Anweisungen, wie sich Sascha in den folgenden drei bis vier Tagen zu Hause verhalten sollte. So lange musste er selbst zur Beobachtung in der Klinik bleiben. Er versprach, dass Sascha in dieser Zeit keine Freier haben würde und umschrieb dies alles lächelnd mit einem Kurzurlaub. Den wahren Grund, nämlich dass er keine Fremden im Haus haben wollte, wenn er nicht dort war, verschwieg er dabei. Er würde vom Krankenhaus aus alles selbst in die Hand nehmen. Sascha hatte also in den nächsten Tagen frei.
Schon eine Stunde später befand dieser sich dann wieder auf dem Heimweg. Rastlos pilgerte er die halbe Nacht durch das leere Haus und machte in jedem Zimmer Licht. Er fürchtete sich, wusste jedoch nicht, wieso dies so war. Aufgeputscht durch das Captagon sah er überall Schatten,
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