Sassinak
Schäden waren minimal: geringfügige Verletzungen durch die Gravitationsschwankung und der Verlust der Backbordkameras. Alle ihre Waffensysteme funktionierten, aber auf die Düsen montierte Detektor- und Suchereinheiten waren weggeschossen worden.
Und wo, fragte sich Sassinak, finde ich eine nette, ruhige kleine Ecke, wo ich mich verkriechen und Reparaturen durchführen kann? Sie war nicht mehr ganz bei der Sache, als ihr die letzten Berichte erstattet wurden, sondern konzentrierte sich schon wieder auf das Hauptproblem. Dann hatte sie einen Einfall. Unorthodox, allerdings, und sogar unerhört, aber so würde sie wahrscheinlich alle Feinde beschäftigen und ihre Gedanken von dem Frachter ablenken.
Ihre Leute wirkten bestürzt, als sie die Befehle gab, aber als sie nähere Erklärungen nachlieferte, fingen sie an zu grinsen. Mit einem Klicken und einem Summen wurde der Hauptmonitor wieder aktiv und zeigte ihnen, wohin sie unterwegs waren – sie rasten der Flugbahn entgegen, die Sassinak ursprünglich für das Begleitschiff berechnet hatte.
Die Zaid-Dayan hatte durch die Beschädigung der Backbordtriebwerke beträchtlich an Manövrierfähigkeit eingebüßt, aber Sassinak hatte darauf bestanden, daß sie den Schaden nach außen hin schlimmer aussehen ließen, als er es tatsächlich war. Nachdem es den Frachter verloren hatte, würde sich das Begleitschiff mit Sicherheit den ›verkrüppelten‹ Kreuzer vornehmen – und was wäre das für eine Trophäe, wenn es wenigstens ihn erwischte! Als könne der Kreuzer das Begleitschiff nicht mehr registrieren, das nun fast dieselbe Bahn flog, kroch er nur noch so dahin. Ein derartiger Schaden hätte jedes Schiff ohne einen Ssli an Bord blind gemacht … und offenbar war das Begleitschiff nicht mißtrauisch. Sassinak beobachtete, wie es seinen Kurs korrigierte, um sich an den neuen des Kreuzers anzupassen. Ihre Gegner mußten annehmen, daß Sass sich hinter dem Möndchen zu verstecken versuchte -und damit hatten sie sogar recht, aber nicht ganz.
Der Kommunikationsdienst fing eine Übertragung vom Begleitschiff an den einzigen Kommunikations- Satelliten des Planeten auf und leitete sie an Sassinaks Platz um. Sass kannte die Sprache nicht, aber sie konnte den Inhalt erraten. »Kommt rauf und helft uns, einen Kreuzer zu kapern!« sagten sie sicher.
Wenn sie klug waren, würden sie von der beschädigten Seite her angreifen und versuchen, die backbordseitige Andockbucht zu sprengen. Bisher hatten sie sich durchaus als klug erwiesen; Sass hoffte, sie würden diese Vorgehensweise selbst für naheliegend halten. Konnten sie wissen, daß es eine normalerweise Truppen vorbehaltene Bucht war? Wahrscheinlich nicht, obwohl es keinen Unterschied machen sollte, wenn sie es wüßten. Praktisch für die Marines, dachte Sass.
»ETA in vierundzwanzig Komma sechs Minuten«, sagte Bures, der Navigationschef. Sassinak nickte.
»Alle legen ihre Panzer an«, sagte sie. Das machte die Sache offiziell und offensichtlich. Die Brückenmannschaft trug nie EVA oder Panzer, außer während der Übungen – aber das hier war keine Übung. Der Feind würde in ihr Schiff eindringen – an Bord des Kreuzers kommen – und es möglicherweise bis hierher schaffen. Das hieß, wenn die Brückenbesatzung Pech hatte. Wenn sie sehr viel Pech hatten. Die Marines, die sich unten um die Truppenandockbucht zusammenzogen, trugen natürlich bereits ihre Kampfpanzer, und das seit Stunden. Sassinak kletterte in ihren weißen Kunststoffmaschenanzug und hakte die verschiedenen Röhren und Kabel ein. Wenn sie den Helm eingerastet hatte, würde ihre Mannschaft sie an dem Anzug erkennen – dem einzigen ganz weißen Anzug, von den vier gelben Ringen auf jedem Arm abgesehen. Aber vorläufig legte sie den Helm noch zur Seite und ließ überprüfen, ob alle elektronischen Kontakte zu den Kommunikationsanlagen und Computern funktionierten.
Der einzige Vorteil der Anzüge bestand darin, daß man kein Klosett aufsuchen mußte, wenn man eins brauchte; der Anzug kümmerte sich selbst darum und um noch viel mehr. Sie merkte an der Erleichterung in einigen Gesichtern, daß sie nicht als einzige eine volle Blase gehabt hatte. Die Minuten verstrichen in ungleichmäßigem Tempo – die Zeit schien dahinzukriechen, dann einen Sprung zu machen, dann wieder zu kriechen. Aus dem Input des Ssli wußten sie, daß das Begleitschiff sich ihrer angeblich blinden Seite annäherte. Wenn es über Außenkameras verfügte, dachte Sassinak, hatte es
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