Satans Bruder
gut überstanden.«
Robin nickte, ohne ihn anzuschauen. Ihre Blicke waren woanders, bei der winzigen Frau, die sie anstarrte. Sie trug ein rosa Partykleid mit Spitzenborte und ein weißes Blecharmband. Sie starrte Robin an wie ein neugieriges Kind.
Robin lächelte. Die Frau leckte sich die entstellten Lippen.
Die anderen bemerkten, wie aufgeregt sie war, und begannen erneut zu zittern.
Ich schaute mich um und nahm die Umgebung in mich auf. An den Wänden hingen gerahmte Reiseplakate: Antigua, Madrid, London, Rom und der Vatikan. Die Tempel von Angkor Wat, Jerusalem und Kairo. An der Wand den Kühlschränken gegenüber waren Lebensmittelkartons aufgestapelt und es gab Holzschränke und ein paar Puppen.
Die Kühlschränke waren offenbar so zahlreich, weil sie klein sein mussten. Sonst hätten sie nicht durch die Bodenklappe in Morelands Labor gepasst. Ich stellte mir den Alten vor, wie er sie durch den Tunnel schob.
Jetzt wusste ich natürlich auch, wo er in jener Nacht mit seiner Arzttasche hingegangen war. Wo er jede Nacht hingegangen war. All die Jahre fast ohne Schlaf, bis zur totalen Erschöpfung.
In einer Ecke war eine Spüle mit einem Wassertank darüber. Daneben standen mehrere große Flaschen. Einen Ofen oder Herd gab es nicht - vielleicht weil es an Lüftung fehlte?
Nein, die Luft war kühl und rein, das Prasseln des Regens klang fern, war aber klar zu hören. Es musste also irgendeine Öffnung zum Wald hinauf geben.
Wahrscheinlich wurde hier unten kein Feuer gemacht, weil der Rauch sie verraten hätte. Es gab auch keine Mikrowelle - vermutlich weil Moreland dieser Technik misstraute. Die Leute hier unten waren schon genug geschädigt.
Sollte seine Geschichte doch wahr gewesen sein? Hatte er wirklich mit der Vertuschung von Strahlenschäden zu tun gehabt, wenn auch nicht so, wie er es dargestellt hatte?
Eine Halbwahrheit nach der anderen. Von Anfang an hatte er Wahrheit und Lügen vermischt. Die Ereignisse stimmten irgendwie, aber nicht die Orte und Zeiten. Oder die Zeit stimmte und die Fakten waren verfälscht.
Ich schaute in die narbigen Gesichter, die sich um ihn scharten.
Weiß wie Mehlwürmer.
Hatte Joseph Cristobal vielleicht gar keine Halluzinationen gehabt, damals vor dreißig Jahren? Eine einzige Panne in drei Jahrzehnten? War einer von ihnen verrückt geworden, an die Oberfläche gekrochen und auf die Steinmauer zugerannt?
Cristobal sieht ihn und verfällt in Panik. Moreland redet ihm »Halluzinationen« ein, belügt ihn um der «Gerechtigkeit« willen.
Und dann stößt Cristobal einen letzten Schrei aus und stirbt.
»Bitte setzen Sie sich doch«, sagte Moreland. »Haben Sie keine Furcht. Die Kinder sind sehr sanft, die sanftesten Menschen, die ich kenne.«
Wir setzten uns an den Tisch und Moreland stellte uns vor, wobei manche der weichen Menschen zuzuhören schienen und andere nicht.
Er schnitt für sie Obst in Stücke und ermahnte sie, ihren Saft zu trinken.
Sie gehorchten und niemand sprach, bis Moreland nach einer Weile sagte: »Fertig? Sehr gut. Und nun wischt euch bitte das Gesicht ab - sehr schön. Bringt bitte eure Teller weg und geht ins Spielzimmer. Viel Spaß.«
Einer nach dem anderen standen sie auf und verschwanden hinter einer Felsmauer.
Moreland rieb sich die Augen. »Ich wusste, Sie würden mich finden.«
»Mit Emmas Hilfe«, erwiderte ich. »Sie haben mich auf diese Nacht vorbereitet, seit wir hier angekommen sind, nicht wahr?«
Er blinzelte nervös.
»Aber warum gerade jetzt?«
»Weil sich die Dinge zugespitzt haben.«
»Pam sucht verzweifelt nach Ihnen. Sie hat große Angst um Sie.«
»Ich weiß. Ich werde ihr alles erzählen - bald. Ich bin krank. Wahrscheinlich werde ich bald sterben. Das Nervensystem will nicht mehr: Kopf- und Nackenschmerzen, Ohnmacht - ich vergesse immer mehr, habe Gleichgewichtsstörungen ...«
»Vielleicht sollten Sie einfach mehr schlafen.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, selbst wenn ich schlafen will, kann ich es nicht mehr. Und meine Konzentration ... Ich komme oft durcheinander. Vielleicht ist es Alzheimer oder etwas Ähnliches, aber die Erniedrigung der Tests will ich mir nicht antun ... Werden Sie mir helfen, bevor nichts mehr von mir übrig ist?«
»Wie könnte ich Ihnen helfen?«
»Indem Sie das alles hier dokumentieren; indem sie sich um sie kümmern. Wir müssen eine Lösung finden. Was soll sonst aus ihnen werden, wenn ich nicht mehr da bin?« Er streckte die Arme aus. »Sie haben das Wissen, mein Sohn, Sie
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