Satans Bruder
haben den Charakter. Sie wissen, was Gerechtigkeit ist.«
»Wahrheit in Aktion? Disraeli?«
»Genau! Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn man sie nicht herstellt.«
»Ach ja, die großen Denker.«
Sein Blick wurde glasig. Er warf den Kopf zurück und schaute zur Höhlendecke. »Früher dachte ich einmal, ich könnte selbst ein bedeutender Denker werden. Welch schamlose, jugendliche Arroganz! Ich liebte die Musik, die Wissenschaft, Literatur - ich wollte der große Universalgelehrte werden.« Er lachte. »Und dann? Nichts als Mittelmäßigkeit! Mittelmäßigkeit und Bosheit!«
Er lamentierte noch eine Weile über sein verpfuschtes Leben und kam schließlich zur Gegenwart zurück. Robin schien kaum zuzuhören. Sie schaute sich immer noch um, die Augen weit aufgerissen.
»Wahrheit ist relativ, Alex«, dozierte der alte Mann. »Wahrheit, die Unschuldige verletzt und Unrecht verursacht, ist weniger zu rechtfertigen als Lüge, wenn diese auf Nächstenliebe beruht und zu Gutem führt. Verstehen Sie mich, Alex?«
»Haben in der Nähe von Aruk Atombombentests stattgefunden? Ich frage Sie, weil Sie auch über Bikini gelogen haben. Und wenn es so war, wie hat es die Regierung dann geschafft, das zu vertuschen?«
»Nein, ganz falsch.«
Er stand auf, ging um den Tisch herum und blickte auf die Kartons, die an der Wand standen.
»Nichts, was Sie tun, ist zufällig«, fuhr ich fort. »Dass Sie mir von den Bombentests und dem Fall Samuel H. erzählt haben, muss einen Grund haben. ›Ein schlechtes Gewissen ist ein großartiger Antrieb‹, sagten Sie einmal. Weswegen haben Sie ein schlechtes Gewissen, Bill?«
Er stand immer noch mit dem Rücken zu mir. Seine Spinnenarme baumelten an ihm hinunter.
»Ich war wirklich auf den Marshallinseln, als die Tests stattfanden. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich nun sterben muss ... Wo habe ich denn Ihrer Ansicht nach gelogen?«
»Mit der Entschädigungsaktion, von der Sie mir erzählt haben, hatten Sie nichts zu tun. Das weiß ich sicher. Ich habe mit jemandem gesprochen, der daran beteiligt war.«
»Richtig.«
»Worauf wollten Sie also hinaus? Was meinten Sie wirklich, als Sie von den Bombentests sprachen?«
Er setzte sich wieder und rollte seine Grapefruit auf der Tischplatte herum.
»Injektionen, mein Sohn.«
»Medizinische Experimente?«
Er nickte langsam. »Wir werden nie genau wissen, was die in die Spritzen getan haben, aber ich schätze, es war eine Mischung aus chemischen Giften, radioaktiven Isotopen und vielleicht auch Viren. Damit experimentiert man beim Militär seit Jahrzehnten.«
»Wen meinen Sie mit die?«
Er beugte sich abrupt vor und drückte seinen mageren Brustkorb gegen die Tischkante. »Ich war es. Ich habe ihnen die Nadel in den Arm gesteckt. Ich war Stabsarzt in Stanton. Man sagte mir, es wäre ein Impfprogramm - ein Testprogramm, geheim, aber freiwillig - und dass ich als Offizier verpflichtet wäre, es durchzuführen. Es ging angeblich darum, die richtigen Dosierungen für einen Impfstoff zu finden, den man für den Fall eines Atomkrieges entwickelt hatte. Das Ziel war, so sagte man mir, die Entwicklung einer einzigen Superimpfung gegen praktisch jede ansteckende Krankheit, die ›Paradiesspritze‹, wie sie es nannten. Sie behaupteten, sie wären schon so weit, dass sie mit vier Injektionen auskämen. Sie zeigten mir sogar Ergebnisse von Pilotprojekten auf anderen Basen - es war natürlich alles gefälscht.«
Er zupfte an dem weißen Flaum über seinen Ohren. Verglichen mit den weichen Geschöpfen hatte er Haar im Überfluss.
»Es war Hoffman«, erklärte er. »Der hat mir die gefälschten Daten gegeben. Auch die Ampullen und Spritzen hat er mir persönlich ins Büro gebracht, zusammen mit der Patientenliste. 78 Leute: zwanzig Familien; Matrosen, deren Frauen und Kinder; Amerikaner. Er sagte, sie hätten sich gegen Extrabezahlung und Privilegien bereit erklärt, daran teilzunehmen. Die Sache wäre gefahrlos, müsste aber geheim gehalten werden, wegen des strategischen Nutzens eines so machtvollen medizinischen Mittels. Die Russen dürften auf keinen Fall Wind davon bekommen ... Und wie es sich für Soldaten gehört, sind die Ärmsten dann pünktlich zu ihren ›Impfungen‹ erschienen, haben sich die Ärmel hochgekrempelt und ihre Spritzen empfangen. Die Kinder hatten natürlich Angst, doch die Eltern hielten sie fest und sagten ihnen, es wäre zu ihrem Besten.«
Er zog so fest an seinen Haaren, dass er sich einige ausriss.
»Wann genau war
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