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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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das?«, wollte ich wissen.
    »Im Winter 1963, sechs Monate vor meiner Entlassung. Ich hatte mich in Aruk verliebt und Barbara und ich beschlossen, ein Grundstück am Strand zu kaufen und uns ein Haus zu bauen, wo sie nur noch malen wollte. Sie erzählte Hoffman von unserem Plan und der informierte uns, dass die Marine vorhätte, das frühere Hauptquartier der Japaner zu verkaufen. Es war nicht am Wasser, aber sonst war es fantastisch. Hoffman wollte dafür sorgen, dass wir es bekommen würden, und zwar zu einem Vorzugspreis.«
    »Und als Gegenleistung mussten Sie brav bei dem Injektionsprogramm mitmachen.«
    »So deutlich hat er das natürlich nie gesagt, aber er sorgte dafür, dass kein Zweifel daran bestand, was er von mir erwartete. So verbrachte ich meine Zeit in seliger Ignoranz - bis das Programm beendet war. Eine der Frauen, die teilgenommen hatte, war schwanger gewesen und erlitt bald darauf eine Frühgeburt. Das Baby hatte weder Arme noch Beine und kein Gehirn. In dem Augenblick hegte ich noch keinerlei Verdacht, wirklich nicht. Solche Dinge kommen vor, das wissen Sie. Dennoch nahm ich mir vor, ein paar Fälle genauer zu beobachten.«
    »Schwangere Frauen haben an den Versuchen teilgenommen?«
    Er starrte auf die Tischplatte. »Ich hatte von Anfang an meine Zweifel, ob das richtig war, doch Hoffman beruhigte mich. Als ich die Fehlgeburt meldete, bekräftigte er noch einmal, dass die Paradiesspritze sicher sei. Die Daten bewiesen es ...«
    Er sank zusammen. »Dieses Baby - es war weich wie eine Qualle. Es erinnerte mich an Dinge, die ich auf den Marshalls gesehen hatte. Dann wurde eines der Kinder krank. Vier Jahre alt, erst vollkommen gesund und dann todkrank; Lymphoma, praktisch über Nacht.
    Als Nächstes war ein Erwachsener dran, ein Matrose mit vergrößerter Schilddrüse und Fibromatosen, die sich rapide in anaplastische Karzinome verwandelten. Ein seltener Tumor, den man gewöhnlich nur bei älteren Leuten findet. Eine Woche später stellte ich dann auch noch Knochenmarksleukämie fest. Es war unglaublich, wie schnell sich der Krebs entwickelte. Ich dachte immer mehr an die Atomtests auf den Marshalls. Ich kannte die Symptome von Strahlenschäden.«
    »Warum haben Sie mir erzählt, Sie hätten an der Entschädigungsaktion teilgenommen?«
    »Als Ventil für meine Schuld. Mein Vorgesetzter hatte mich tatsächlich gebeten, an dem Programm teilzunehmen, aber ich konnte mich herauswinden. Der Gedanke, Menschenleben mit Geld aufzuwiegen, war mir zuwider. Am Ende hat man dann Zivilbeamte dafür eingesetzt. Ich bezweifle, ob die überhaupt wussten, wofür das Geld entschädigen sollte.«
    Die ganzen Jahre hatte er sich nach einer Beichte gesehnt und nun erwartete er von mir eine Art Absolution. Dennoch hatte er mir nicht so weit vertraut, dass er mir alles sagen wollte. Stattdessen hatte er mich behandelt, wie manche Psychiatriepatienten einen neuen Therapeuten behandeln: Er hatte Hinweise gegeben, Nuancen und Symbole benutzt und alles unter Schichten von Halbwahrheiten verborgen.
    »Ich hatte gehofft, dieser Augenblick würde einmal kommen ... dass Sie jemand wären, dem ich mich verständlich machen kann«, sagte er mit flehendem Blick.
    Ich drückte Robins Hand. »Haben Sie Hoffman noch einmal zur Rede gestellt, als immer mehr Leute krank wurden?«
    »Sicher, und ich dachte, er würde endlich etwas unternehmen. Doch er lächelte nur. Er war erst dreißig, aber er hatte das Lächeln eines bösen alten Mannes. Ein schmutziges kleines Lächeln. Er nippte an seinem Martini und ich sagte: ›Vielleicht verstehst du nicht, Nick. Irgendetwas, was wir mit diesen Leuten getan haben, macht sie furchtbar krank - es bringt sie um.‹ Und er klopfte mir auf den Rücken und riet mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Leute würden die ganze Zeit krank, mit oder ohne Spritze.«
    Sein Blick war nun voller Hass.
    »Ein Neugeborenes ohne Gehirn, ein Kleinkind mit Krebs im letzten Stadium, dieser arme Matrose mit Krankheiten wie ein alter Mann ... Für Hoffman war das alles nicht der Rede wert; nicht mehr als ein Schnupfen. Er sagte, er wäre sicher, es hätte nichts mit den Impfstoffen zu tun, denn die wären gründlich getestet worden. und dann lächelte er wieder. Dasselbe Lächeln wie beim Kartenspiel, wenn er pfuschte und dachte, es würde niemandem auffallen. Er wollte, dass mir klar war, dass er es die ganze Zeit gewusst hatte.
    Für den nächsten Tag hatte ich eine Autopsie an dem Baby geplant, doch als ich in die

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