Satans Bruder
»geschützt durch diese Minen, ob es sie nun gibt oder nicht. Es ist verrückt, aber in den Staaten gibt es ganze Bunker voll solcher Leute. Das Problem ist nur, dass dies dieselben Leute sind, die am liebsten den Krieg anfangen würden.«
»Das sieht Bill überhaupt nicht ähnlich.«
»Warum nicht? Nur weil er behauptet, er hätte etwas gegen Waffen? Alles, was er sagt oder tut, ist mit Vorsicht zu genießen - auch seine Uneigennützigkeit. Aruk importiert Lebensmittel für doppelte und dreifache Preise. Bill steuert gelegentlich etwas aus seinen Gärten bei, aber das meiste lagert er hier unten für sich selbst. Wenn er vorhätte, für eine Weile unterzutauchen, würde das auch erklären, warum er sich nicht mehr angestrengt hat, die Wirtschaft hier etwas in Schwung zu bringen. Vielleicht hat er Aruk schon aufgegeben.
Vielleicht hat er der Realität den Rücken gekehrt und denkt nur noch daran, sich seine eigene kleine, unterirdische Welt zu schaffen. Auf die Pläne könnte er irgendwo im Haus gestoßen sein. Die könnten ihn auf die Idee gebracht haben, und als er den Tunnel fand, wurde er gleich zum Höhlenmenschen.«
Sie nahm noch etwas aus dem Karton, etwas in Alufolie mit einem weißen Aufkleber.
»Gefechtspaket, gefriergetrocknet«, las sie vor. »Möhren, Erbsen, grüne Bohnen und Sojakonzentrat - und jede Menge Vitamine ... US-Marine ... meine Güte ...«
»Was ist?«
»Das Datum.«
Sie gab mir das Paket und ich las die winzigen Buchstaben am Rand des Aufklebers: Februar 1963.
»1963 war sein letztes Jahr bei der Marine«, sagte ich. »In dem Jahr hat er auch das Anwesen gekauft ... er macht das seit über dreißig Jahren!«
»Der Ärmste.«
»Offenbar fühlt er sich ganz wohl dabei. Er scheint sogar mächtig stolz darauf zu sein.«
»Woher weißt du das?«
»Warum würde er es uns sonst zeigen?«
Sechs Deckenlampen später stießen wir auf zwei weitere Lager mit Lebensmitteln und Medikamenten.
Wir trotteten die Gleise entlang wie Soldaten, vollkommen mechanisch, wie im Schlaf. Nach meiner Uhr waren wir fast seit einer halben Stunde unter der Erde, doch meinem Empfinden nach war es gleichzeitig kürzer und länger gewesen.
Die Zeit täuscht.
Die nächste Glühbirne im Käfig. Dann ein grüner Fleck: Kunstrasen; und eine Treppe, fünfzig Meter vor uns. Dreizehn Stufen zu einer Stahltür hinauf.
Ich sah keine Klinke und kein Schloss und erwartete wieder ein trickreiches Schließsystem, doch die Tür öffnete sich so leicht, dass ich fast gestürzt wäre, als ich mich dagegen lehnte.
Auf der anderen Seite begann eine ansteigende, von einer schwachen Birne beleuchtete Betonrampe, die zu einer weiteren Tür führte: Schmiedeeisen; konzentrische Ringe mit zur Mitte zeigenden Stacheln.
Dahinter war es vollkommen dunkel.
Ich rüttelte an dem Gitter, doch diese Tür gab nicht nach. Ich starrte auf das Gitter und erkannte plötzlich, was es bedeutete.
Ein Spinnennetz - eine perfekte Falle.
Ich rannte die Rampe zurück. Die erste Tür war schon dabei, sich zu schließen. Ich stemmte mich dagegen, doch sie knallte zu und ließ sich nicht mehr bewegen.
Wir waren gefangen.
Vor meinem geistigen Auge erschien Morelands mageres Gesicht, seine langen, schlaffen Glieder, sein fleischiger Mund, seine hervorquellenden Augen, sein schlaksiger Gang - sein Spinnengang.
Raubinsekten ...
Panik legte sich um meinen Hals wie ein Galgenstrick.
Hinter dem Netz wurde es heller und wir spürten einen kalten Luftzug - dieselbe Kälte, die aus dem Banyanwald zu kommen schien.
Die Netztür schwang auf und ich blickte auf behauene Felswände und die Finsternis dahinter.
Eine Höhle.
Wir hatten die Wahl: Entweder wir blieben, wo wir waren, und riskierten, auf dieser Rampe stecken zu bleiben, oder wir gingen weiter und versuchten unser Glück in der Höhle, was immer uns dort erwartete.
Ich ging durch die Tür.
Eine Hand legte sich sanft auf meine Schulter.
»Verdammt, Bill!« Ich schnellte herum.
Doch es waren nicht Morelands Augen, die mich anstarrten. Es waren dunkle Schlitze, jedenfalls das linke Auge. Das rechte war ein großer, milchweißer, triefender Halbmond, auf dem ein narbiges Lid klebte. Es hatte keine Iris.
Das Gesicht war ebenfalls weiß, der Kopf eiförmig, ohne Hals auf mageren, krummen Schultern, haarlos bis auf drei Büschel farblosen Flaums.
Der Mund öffnete sich: weniger als ein Dutzend Zähne, manche nur gelbe Stümpfe in einem taschenartigen, faltigen Mundloch ohne Unterlippe. Die
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