Satans Bruder
Leichenhalle kam, war es verschwunden. Die Unterlagen über den Fall waren auch alle weg und der Soldat, der als mein Assistent fungiert hatte, war durch einen neuen Mann ersetzt worden - einen aus Hoffmans Stab. Ich stürmte in sein Büro und fragte ihn, was los sei. Er sagte, die Eltern des Babys hätten ein schnelles Begräbnis gewünscht, weshalb er ihnen erlaubt hätte, am Abend zuvor nach Guam auszufliegen. Ich glaubte ihm natürlich kein Wort und ging schnurstracks zum Kontrollturm, um nachzufragen, ob irgendwelche Flüge rausgegangen wären. Und siehe da: Seit 72 Stunden hatte kein Flugzeug die Basis verlassen.
Als ich in mein Büro zurückkam, war Hoffman da. Er lud mich zu einem Spaziergang über die Basis ein und redete von dem Grundstück, das ich kaufen wollte. Plötzlich schienen andere Interessenten aufgetaucht zu sein, doch er wollte es geschafft haben, meinen Namen an erster Stelle zu halten und sogar den Preis noch zu drücken. Ich wäre ihm am liebsten an die Kehle gegangen.«
Er setzte seine Brille auf.
»Aber was tat ich? Ich dankte ihm und lächelte ebenfalls. Ich lud den Schweinehund in unser Quartier ein, für eine Partie Bridge am nächsten Abend. Nun, da ich wusste, wozu er fähig war, dachte ich auch an Barbaras Sicherheit - und an Pams, die damals noch ein Baby war.
Doch wenigstens gelang es mir, die anderen zu überprüfen, die injiziert worden waren. Den meisten schien es gut zu gehen, doch ein paar der Erwachsenen hatten vage Beschwerden: Mattigkeit und schwaches Fieber. Und dann kamen einige der Kinder mit hohem Fieber.«
Er presste sich einen Finger gegen die Schläfe. »Und da war ich wieder der liebe Doktor, der sie beruhigte. Ich verteilte Schmerztabletten und riet ihnen, so viel zu trinken, wie sie konnten, in der Hoffnung, manche der Gifte würden dadurch ausgespült. Nur die Wahrheit konnte ich ihnen nicht sagen. Was hätte ihnen das schon geholfen? Was ist schlimmer als das Wissen um den eigenen, baldigen Tod? Und dann starb plötzlich noch ein Kind: Hirnschlag. Wieder wurde eine Familie angeblich ausgeflogen und diesmal teilte mir Hoffman mit, meine Tätigkeit im Paradiesprojekt wäre beendet und ich hätte mich von nun an um das gesamte Personal der Basis zu kümmern - mit Ausnahme der geimpften Familien. Für die waren neue Ärzte angekommen, aus Washington. Als ich protestierte, gab mir Hoffman ein neues Projekt: die Sichtung medizinischer Akten aus zwanzig Jahren und ein detaillierter Bericht darüber - Beschäftigungstherapie.«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor.«
Er lächelte schwach. »Ich weiß, Sie halten mich für einen Kindskopf mit meinen Hinweisen und Rätseln. Vielleicht kommt es daher, dass ich als einziges Kind in einem großen Haus aufgewachsen bin. Man läuft allein herum und denkt sich Spiele und Intrigen aus. Oder es ist einfach eine Charakterschwäche.«
»Und was geschah mit den übrigen Impfpatienten?«, fragte Robin.
»Es wurden noch mehr krank und irgendwann begannen Gerüchte über eine geheimnisvolle Seuche zu kursieren. Es wurde immer schwerer, es geheim zu halten, und schließlich mussten die Ärzte aus Washington eine offizielle Erklärung abgeben. Sie sagten, ein unbekannter Inselbazillus hätte sich in Stanton ausgebreitet, und verhängten eine Quarantäne. Die Kranken wurden im Lazarett isoliert, um das dann verständlicherweise jeder einen großen Bogen machte. Dann hörte ich, man hätte vor, alle geimpften Familien zum Walter Reed Hospital in Washington zu verfrachten, wo sie weiter untersucht und behandelt werden sollten. Was das bedeutete, konnte ich mir vorstellen.
Eines Nachts, nach Mitternacht, schlich ich mich also in die Krankenstation. Es stand jemand Wache, doch der nahm seine Aufgabe nicht sonderlich ernst - typisch für Stanton. So war die allgemeine Einstellung dort. Ich kam durch eine Hintertür rein, die ich mit einem Generalschlüssel öffnete, den ich Tage zuvor aus Hoffmans Büro gestohlen hatte. Der Bastard hielt es noch nicht einmal für nötig, die Schlösser austauschen zu lassen.«
Er drückte die Grapefruit so fest, dass ihm der Saft zwischen den Fingern hervorquoll.
»Manche von ihnen waren schon tot«, sagte er leise. »Andere waren bewusstlos und wieder andere waren kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren.«
Er weinte und versuchte es zu verbergen. Es dauerte eine Weile, bis er wieder sprechen konnte.
»Die Betten standen nebeneinander wie offene Särge«, flüsterte er. »Einige der Gesichter
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