Satans Bruder
doch die kenne ich inzwischen alle und es sind anständige Kerle. Zudem konnte Dennis sie befragen - im Gegensatz zu den Soldaten.«
»Man hat ihn nie auf die Basis gelassen? Auch später nicht?«
»Nein, nie.«
»Warum haben Sie die Akte überhaupt noch? Sind noch Ermittlungen im Gange?«
»Dennis dachte, mir fiele vielleicht etwas auf, wenn ich sie eine Weile studieren würde, aber ich konnte nichts finden. Haben Sie vielleicht eine Idee?«
»Es ist kein typischer sadistischer Mord. Keine Vergewaltigung - obwohl Creedman das behauptet hat.«
»Sie sehen, der Mann ist einfach nicht glaubwürdig.«
»Verstümmelung, aber nicht der Genitalien oder der Brüste, sondern an Kopf, Rumpf und Beinen. Und dann die Organentnahme, vor allem die Öffnung der Oberschenkelknochen, um an das Knochenmark zu kommen. Es klingt gespenstisch, fast ritualistisch.«
Moreland lächelte säuerlich. »Sie meinen, wie man es von den Eingeborenen erwarten würde?«
»Ich denke mehr an satanische Rituale. Hat man irgendwelche satanischen Symbole gefunden?«
»Nein, nichts dergleichen.«
»Gibt es überhaupt Anzeichen eines rituellen Aspekts?«
Er rieb sich die Glatze und spielte mit einem dicken, schwarzen Füllfederhalter aus seiner Brusttasche.
»Was wissen Sie über Kannibalismus, Alex?«
»Zum Glück nicht viel.«
»Während ich die Autopsie durchführte, musste ich an Dinge denken, von denen ich damals in den fünfziger Jahren gehört hatte, als ich in Melanesien stationiert war.«
Er steckte den Füller zurück und rieb sich eines seiner knochigen Knie.
»Die traurige Wirklichkeit ist, dass das Verzehren von Menschenfleisch kulturgeschichtlich nicht als Perversion, sondern als der Normalfall zu betrachten ist. Und ich rede nicht nur von den so genannten primitiven Erdteilen. Die Teutonen hatten ihre Menschenfresser und auch die alten Römer, Griechen und Ägypter verspeisten einander nur zu gern. Kaledonische Stämme zogen jahrhundertelang durch die schottische Landschaft, immer auf der Jagd nach zweibeinigen Delikatessen.«
Er lehnte sich zurück und zog eine qualvolle Grimasse.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte ich.
»Doch, doch.« Er fasste sich an den Hals. »Ich habe nur wieder einen steifen Nacken. Ich muss aufpassen, dass ich vernünftig liege ... Aber wo war ich stehen geblieben? Ach ja, Kannibalismus. Das häufigste Motiv dafür ist, ob Sie es glauben oder nicht, simple Nahrungsaufnahme: Protein. Er kann aber auch zur militärischen Taktik oder zu einer spirituellen Suche gehören. Man verzehrte seine eigenen Vorfahren, um sich deren gute Geister einzuverleiben. Oder es war eine Kombination aus beidem. Das Gehirn eines Feindes verleiht Weisheit, sein Herz macht tapfer und so weiter. Doch trotz aller Vielfalt gibt es ein ziemlich durchgehendes, einheitliches Muster: Enthauptung, Entnahme der lebenswichtigen Organe, Zertrümmerung der Langknochen und Entnahme des Knochenmarks.«
Er hämmerte mit den Fingerspitzen auf den Ordner und schaute mich erwartungsvoll an.
»Sie meinen, jemand hat die Frau umgebracht, um sie zu verspeisen?«, fragte ich schließlich.
»Ich sage lediglich, ihre Verletzungen waren in Einklang mit klassischen kannibalischen Bräuchen. Es gab aber auch Dinge, die nicht dazu passten: Das Herz, das gewöhnlich als Delikatesse betrachtet wurde, hat der Mörder nicht angerührt. Der Schädel wird häufig als Trophäe behalten, doch hier lag er neben dem Rumpf. Doch beides könnte man mit Zeitdruck erklären. Vielleicht wurde der Mörder vom Strand vertrieben, bevor er fertig war. Für viel wahrscheinlicher halte ich aber, dass es ein Psychopath war, der einen alten Brauch vorgetäuscht hat.«
»Oder jemand, der sich die falschen Filme angeschaut hat«, bemerkte ich.
Er nickte. »Ja, so weit ist es gekommen mit dieser Welt.«
Bevor er fertig war ...
»Es muss eine ziemliche Weile gedauert haben, sie so zuzurichten. Was schätzen Sie?«
»Mindestens eine Stunde. Der menschliche Schädel ist sehr robust. Können Sie sich vorstellen, wie jemand da sitzt, an dieser wunderbaren Lagune, und sich mit der Säge zu schaffen macht?« Er schüttelte den Kopf. »Ekelhaft.«
»Warum haben Sie Laurent nahe gelegt, die Einzelheiten nicht zu veröffentlichen?«
»Zunächst ging es mir darum, Details geheim zu halten, die nur der Mörder kennen konnte. Und dann machte ich mir Sorgen um die öffentliche Ordnung. Die Leute waren schon wütend genug und es gab jede Menge Gerüchte. Sie können sich
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