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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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vorstellen, was geschehen wäre, wenn man plötzlich von einem kannibalischen Marinesoldaten geredet hätte.«
    »Die Inselbewohner wissen also bis heute nichts davon.«
    »Niemand kennt die Einzelheiten, außer Ihnen, Dennis und meiner Wenigkeit.«
    »Und der Mörder.«
    Er schüttelte sich bei dem Gedanken. »Ich weiß, dass Sie es für sich behalten werden. Ich habe Ihnen die Akte gezeigt, weil ich auf Ihre Meinung Wert lege.«
    »Kannibalismus ist nicht gerade mein Spezialgebiet.«
    »Aber Sie verstehen, was in Menschen vorgeht, während ich sie immer unbegreiflicher finde. Was könnte nur jemanden dazu treiben, ein solches Verbrechen zu verüben, Alex?«
    »Weiß der Himmel. Sie sagten, die Insulaner wären nicht gewalttätig. Und die Seeleute? Hat es mit denen früher schon Zwischenfälle gegeben?«
    »Natürlich, aber nie mehr als eine Prügelei.«
    »Creedman hat gesagt, die Einheimischen hätten die Südstraße gestürmt. Stimmt das?«
    »Auch das ist übertrieben. Niemand hat irgendetwas ge stürmt. Ein paar junge Männer tranken sich Mut an und wollten vor der Basis protestieren. Die Wachen schickten sie heim und es gab ein wenig Geschrei und Geschubse. Doch wer glaubt, die Marine würde sich zwei Tage später die Mühe machen, eine Blockade zu errichten, weil man sich vor einer Hand voll Halbstarker fürchtet, ist naiv. Ich habe lange genug gedient, um zu wissen, dass beim Militär nichts so schnell geht. Die Absperrung muss seit Monaten geplant gewesen sein.«
    »Aber warum?«
    Er runzelte die Stirn. »Ich fürchte, es könnte der Anfang der endgültigen Schließung des Stützpunktes sein.«
    »Weil er keinen strategischen Wert hat.«
    »Darum geht es nicht. Aruk ist eine Schöpfung der Kolonialmächte und heute ist die Marine der Kolonialherr. Einfach abzuziehen wäre grausam.«
    »Wovon leben die Leute im Dorf denn heute?«
    »Von Gelegenheitsjobs und Tauschhandel. Und natürlich von den Schecks des Sozialamts«, sagte er traurig, fast beschämt.
    »Die kommen auch mit den Versorgungsbooten?«
    Er nickte. »Ich glaube, wir wissen beide, wozu das führt. Ich habe versucht, die Leute zu etwas mehr Unabhängigkeit anzuspornen, doch an Ackerbau haben sie kein Interesse und für andere Unternehmen fehlen die Ressourcen. Selbst vor der Blockade ging es mit den einfachsten Fähigkeiten der Einheimischen bergab. Die meisten der besseren Schüler haben die Insel verlassen, um weiter zur Schule zu gehen, und sind nie zurückgekehrt. Deshalb bin ich so froh, dass Leute wie Ben und Dennis sich entschieden haben zu bleiben.«
    »Und die Blockade hat den Niedergang noch beschleunigt.«
    »Ja, doch man sollte die Hoffnung nicht aufgeben. Ein einziges vernünftiges Projekt - eine Fabrik oder so etwas - würde reichen, um Aruk zu ernähren. Ich habe verschiedene Unternehmen angehalten, hier zu investieren, doch wenn sie von unseren Transportproblemen hören, schrecken sie zurück.«
    »Pam sagte, Sie hätten auch an Senator Hoffman geschrieben.«
    »Ja, das habe ich.« Er legte die Mordakte auf die Couch.
    »Hat es auf Aruk je Kannibalismus gegeben?«, nahm ich den Faden wieder auf.
    »Nein. Es gab keinerlei vorchristliche Kultur, also auch keinen Kannibalismus. Die ersten Inselbewohner sind im sechzehnten Jahrhundert von den Spaniern hergebracht worden und waren schon katholisch.«
    »Sie meinen, ohne eine vorchristliche Kultur kann es keinen Kannibalismus geben?«
    »Meines Wissens ist es fast immer so. Selbst die neuesten Fälle, über die ich gelesen habe, scheinen vorchristliche Hintergründe zu haben. Ist Ihnen der Ausdruck ›Kargokult‹ bekannt?«
    »Ist das eine Sekte, die Reichtum mit Seelenheil gleichsetzt?«
    »Eine spontane Sekte, gegründet von einem selbst ernannten Propheten. Kargokulte entstehen, wenn Eingeborene zu einer westlichen Religion bekehrt werden, ohne ihren alten Glauben ganz abzulegen. Die Verknüpfung zwischen der Anhäufung von Gütern und spiritueller Rettung geht auf den Umstand zurück, dass die missionarische Botschaft stets mit Geschenken verbunden war. Der Insulaner glaubt, der Missionar besäße den Schlüssel zum ewigen Leben und alles an ihm wäre heilig: die weiße Haut, die westlichen Gesichtszüge, westliche Kleidung und die wunderbare Kahgo, die Waren, die sie auf ihren Schiffen mitbringen. Das Glaubenssystem kommt durcheinander, sobald der Missionar wieder verschwindet und die Lieferungen aufhören. Für den Insulaner ist das der Anfang des Weltuntergangs. Und dann kommt

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