Satans Erbe (German Edition)
und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Was war in Elisas Zimmer gerade passiert?
Waren das die ersten Anzeichen ihrer Wechseljahre?
66.
Villa Felthen
Interlaken, Schweiz
November 1983
I ch atmete tief ein und genoss Lisas Geruch nach Rosen und einem Hauch von Vanille. Ihre Rechte schrieb ein paar Wörter in ein liniertes Heft, während sie die Linke unbewusst an ihre Brust drückte. Sie wirkte hoch konzentriert, wie jede Stunde, die wir beisammensaßen und Italienisch lernten. Arno hatte einen neuen Eckschreibtisch für mein Zimmer liefern lassen, einen Lehrplan für ein Anfängersemester, Schulhefte, Wörterbücher, Reiseführer sowie Videos über Italien und versprochen, Lisa dürfte nach einem Jahr und guten Erfolgen für zwei Wochen mit ihm, Benni und mir nach Bella Italia reisen. Ich plante anderes, freute mich aber alibihaft für und mit Lisa.
Es war eine aufregende Zeit bei den von Felthens, jede Sekunde war Wachsamkeit angesagt. Die Geschichten, die ich Arno erzählte, mussten glaubhaft bleiben, gleichzeitig durfte ich ihn nicht enttäuschen. Während meiner Aufenthalte bei Jörg eignete ich mir aus zahllosen Esoterikbüchern ein beachtliches Wissen an. Ich gab Benni so viel Aufmerksamkeit, wie er benötigte, um mich vertrauensvoll mit Arno oder Lisa allein zu lassen. Es war meine zu meisternde Aufgabe, ihr vorzuspielen, in sie verliebt zu sein, mich zurückzuhalten, sie nicht zu vergraulen – und meinem Plan oberste Priorität zu verleihen. Abreagieren konnte ich mich bei Benni, auch, wenn das weiß Gott nicht das Gleiche war.
»Fertig …« Lisa lächelte mich an.
»Benissimo, Lisa.«
»Soll ich es dir vorlesen?«
»Mi dica!«
Lisas Stimme versetzte mich in Stimmung. Wie gern hätte ich ihr hier auf dem Schreibtisch gezeigt, wie schön es war, sich seinen Bedürfnissen hinzugeben … doch Lisa war zu unbedarft. Durch ihr Leben in diesem Haus war sie beherrscht und hatte sich stets unter Kontrolle, was gut war, denn sonst würden wir garantiert erwischt werden.
Lisa sah mich erwartungsvoll an.
Ich lobte sie und stellte ihr Fragen über Italien. Wieder erstaunte sie mich mit ihrem Wissen. Von gestern auf heute hatte sie nicht nur die Passagen von dem Land gelesen, die ich ihr genannt hatte, sondern noch einiges mehr. Ihr Wissensdurst war ebenso ausgeprägt wie ihr Freiheitsdrang. Beides galt es zu befriedigen. Sie schwärmte von der Ewigen Stadt und versetzte mich in eine Zeit zurück, als mein Vater und ich in Rom gelebt hatten. Die Ophiten fielen mir ein, die schäbige Wohnung, mein Rotweinversteck, die archaische Bibel von 1935, die mich mit dem alten Koffer erreicht hatte und die Zeichensprache, mit der ich mich mit meinem Vater über die Entfernung vom Boden zu seiner Arbeitsstätte hoch auf den Türmen Roms unterhalten hatte. Es war eine wunderbare Phase meines Lebens, wenn mein alter Herr sie nicht beendet hätte …
»Hey, Ahriman? Was ist los? Du hast mir nicht zugehört.« Lisas Augen verengten sich. »Habe ich etwas falsch gemacht?«
Auf solche Fragen eines Teenagers gab es nur eine Antwort … Ich musterte sie mit ernster, aber freundlicher Miene. Eines ihrer Schulterpolster war verrutscht. Sie hatte es noch nicht bemerkt. Ich fuhr mit dem Zeigefinger an ihrem Arm hinunter, hüpfte mit dem Finger auf den breiten Miederstretchgürtel, glitt weiter hinab über den Mini bis auf ihr Knie, das nur eine Strumpfhose bedeckte. Dort schob sich meine Handfläche über ihr zartes Kniegelenk. Sie erschauerte unter meiner Berührung. »Ti amo«, hauchte ich.
Lisa schluckte – ihre Lippen bebten, doch sie lächelte und ihr Blick wanderte von meinen Augen über meinen Hals – der augenblicklich anschwoll – meinen Brustkorb, meinen Bauch hinunter und blieb direkt auf der Wölbung meiner Jeans hängen.
Ich regte mich nicht – jetzt kam es darauf an – auf mich, auf meine Beherrschung. Ich nahm ihr Kinn zwischen meine Finger und hob ihren Kopf leicht an. Lisa öffnete den Mund und ich fürchtete, sie würde schreien, aber sie sagte nichts.
Ihre Zunge glitt über ihre Unterlippe. O Gott, was sollte ich machen? Ich konnte sie nicht hier im Haus flachlegen, wo sich immer mindestens zwei Personen in der Nähe aufhielten. Sie legte ihre Hände in die meinen und sah mir tief in die Augen.
»Sia il mio insegnante.«
Sie forderte mich auf, ihr Lehrer zu sein. Abrupt stand ich auf. Sie erschrak im ersten Moment, doch sie sah, wie ich mit mir kämpfte. Ich ließ mein
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