Satans Erbe (German Edition)
Hinterreifen rollte über sie hinweg und hinterließ eine hellrote Spur im frischen Schnee.
Bennis Schrei, heiser, rau und animalisch wie von einem verletzten Tier, unterbrach Sekunden danach die fassungslose Stille.
17.
Stevensburc – Kanton Bern
1448 n. Chr.
E in unruhiger Tag war zu Ende gegangen. Der Wind hatte die Wolken wie riesige Schneelawinen vor sich hergetrieben und am Abend folgten Blitz und Donner. Als die Nacht endgültig hereinbrach, war am Himmel keine Spur der Naturgewalten mehr zu erkennen, das Sternenzelt glitzerte hell und klar über der Ansammlung erbärmlicher Hütten, die sich um die hölzerne Stevensburc scharten.
Wie ein einsames Auge schien der Mond einen Blick auf das Dorf zu werfen. Es herrschte Grabesstille, kein Käuzchen rief, keine Feldmaus huschte umher, selbst die Hunde, deren Gejaule in anderen Nächten die Ruhe durchdrang, waren verstummt.
Umso lauter hallten seine Schritte den schmalen Korridor entlang. Er stoppte unvermittelt. Ein lang gezogenes, durchdringendes Quietschen folgte der kurzen Stille, abgelöst von dumpfem Poltern auf Holz, das sich rasch in der Tiefe der Burg verlor. Der Frieden der Nacht war trügerisch. »Das Ende naht, Meister.«
»Ich weiß. Wie viele sind es?«
»Sechs Ritter auf ihren Streitrössern. Sie sind nah.«
»Den Häschern des Savoyenherzogs sind wir nicht gewachsen. Du musst fliehen. Sofort.«
»Nein, Meister, ich lasse Euch nicht im Stich. Wenn die Stevensburc fällt, sind wir gemeinsam dem Untergang geweiht.«
Der Ältere dachte einen Moment nach und ignorierte offensichtlich das anschwellende lustvolle Stöhnen um ihn herum. Schwer stützte er sich mit beiden Händen auf den Altar.
Das Fest im Kellergewölbe strebte seinem Höhepunkt entgegen. Die schwarzen Kerzen flackerten im Takt der erregten Atemstöße, mit denen die Jünger, ein halbes Dutzend Mönche und drei Mal so viele Nonnen des nahegelegenen Klosters Interlaken den Ritus zelebrierten. Trotz der aussichtslosen Lage genoss er für einen Moment den Anblick der auf dem Boden in Ekstase versunkenen Leiber. Er blickte auf das sorgenvolle Gesicht seines Meisters. Nicht nur der Kelch musste in Sicherheit gebracht werden, auch das Wissen musste der Nachwelt erhalten bleiben. Es hatte Jahrhunderte zu überdauern, damit es zur rechten Zeit dem Auserwählten zu neuer Regentschaft verhelfen konnte.
Das Pergament! Die Uhr seines Herrn war fast abgelaufen, das Alter forderte seinen Tribut. Seinem Meister musste die Verpflichtung bewusst werden, die Verantwortung an einen Gefolgsmann abzugeben.
Endlich fasste sein Herr mit energischem Griff den Rosenkelch.
»Hör mich an, Engel der Schwarzen Rose. Flieh und verbirg die Reliquie an einem sicheren Ort. Schreib nieder, wie der Auserwählte sie wiederfinden kann.«
Sein Herr drückte auf eine Stelle am linken Rand des steinernen Monsters. Ein Quader schob sich zur Seite. Rasch langte der Alte in den geöffneten Spalt in der Mitte des Altars und ergriff eine Rolle Pergament, die mit einem schwarzen Siegel in Form einer Rose verschlossen war. Er fischte nach einer am Boden liegenden Kutte, wickelte Kelch und Rolle darin ein und drückte ihm das Bündel in die Hand. »Geh jetzt!«
Er griff das wertvolle Knäuel und wandte sich um. Er wusste, was er zu tun hatte und er würde es gut tun. Er war sich sicher, dass sein Herr das genauso sah. Bevor er aus dem Gewölbe schlüpfte, bekam er im Augenwinkel mit, wie sich sein Meister mit einem zufriedenen Lächeln umdrehte, seine Kutte zu Boden gleiten ließ und das zarte Mädchen, das vor ihm auf den Steinen kniete, während sie heftig von hinten genommen wurde, mit dem Gesicht an seinen schlaffen Penis zog.
Minuten später erfüllte Kampfgeschrei die Burg. Die Ritter des Gegenpapstes Felix V. vollbrachten ihr Werk, das seine Erfüllung in einer alles vernichtenden Feuersbrunst fand. Noch Stunden danach hing der beißende Rauchgeruch über dem Dorf, in dem sich die Bewohner aus den Betten gequält hatten und in erstarrter Faszination das Flammenmeer begafften, das meterhoch in den Himmel schoss. Aber er hatte es geschafft. Frierend hockte er in seinem Versteck am Ufer des Thunersees.
18.
Santa Pudenziana
Esquilin, Rom, Italien
September 1961
S o heiß wie heute war mir in meinem ganzen Leben noch nicht. Der Schweiß lief in Bächen an mir hinab, was einerseits an dem ungewohnten italienischen Sommer lag, andererseits an der Aufgabe, die ich bestehen wollte.
Die
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