Satans Erbe (German Edition)
Ding gerade auf den Boden werfen, da blitzte von einem Sonnenstrahl getroffen das goldene Zeichen auf dem Einband auf. Eigentlich nur drei sich kreuzende Striche. Ich prustete los, ungeachtet dessen, dass ich trank. Der Künstler war ein Scherzbold.
Ich schlug die Bibel auf. »Berlin 1935«. Die Seiten glitten durch meine Finger. An den Zeichnungen stoppte ich, bis ich fast hinten angelangt war. Das Wort »Offenbarung« stieß mir in die Augen. Ich blätterte weiter, las ein paar Absätze, verstand nur Bahnhof, bis ich zu einer Stelle kam, die wohl auf mich gewartet hatte.
Und es ward ihm gegeben, dass es dem Bilde des Tieres Geist gab, damit des Tieres Bild redete und machte, dass alle, welche nicht des Tieres Bild anbeteten, getötet würden. Und es macht, dass sie allesamt die Kleinen und Großen, die Reichen und Armen, die Freien und Knechte, sich ein Malzeichen geben an ihre rechte Hand oder Stirn, das niemand kaufen oder verkaufen kann, er habe denn das Malzeichen, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.
Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres; denn es ist eines Menschen Zahl und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.
Es war bestimmt kein Zufall, dass ich diese Stelle fand. Ich atmete tief durch.
Ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich holte die schwarze Tinte vom Schreibtisch meines Vaters. In der Küchenschublade fand ich eine Nähnadel, der Faden hing noch dran. Ich riss ihn ab. Ich hatte gelesen, dass man mit Feuer desinfizieren kann, daher hielt ich die Nadelspitze in die Flamme eines Streichholzes. Aua. Scheiße. Nadel und Streichholz fielen mir aus den Fingern. Ich trampelte das brennende Hölzchen auf dem Fußboden aus und suchte nach der Nadel.
Jeden Stich in meinen rechten Handballen genoss ich mit einem verbissenen Lächeln. Die Tinte brannte, als sie mein wundes Fleisch berührte und die drei Sechsen, die ich in einem Kreis gestochen hatte, sahen am Ende eher aus wie ein schwarzer Fleck. Nein, eher wie eine Rose. Doch ich war zufrieden mit meinem Werk.
Die Wohnungstür knarrte.
»Simon, ich habe Bruschetta und alles für Spaghetti alla Puttanesca mitgebracht, dein Lieblingsessen.«
19.
Bezirksspital Interlaken
Interlaken, Schweiz
25. Dezember 1974
I n weniger als drei Minuten traf ein weiterer Krankenwagen ein. Vom Bezirksspital in Unterseen bis zur Villa waren es nur knapp zwei Kilometer. Arno war noch bewusstlos und die Polizisten hatten ihn ins Wohnzimmer auf die Couch getragen. Der Notarzt und die Sanitäter versorgten Lena, rasten aber mit der schwer verletzten Petra davon, kaum dass die zweite Ambulanz und der Notarzt in die Einfahrt bogen.
Arnos Erinnerung setzte ein, als er im Krankenhaus die Augen aufschlug. Er blickte an eine weiße Decke, an der in kurzen Abständen Lampen an ihm vorbeiflogen. Als er realisierte, dass er auf einer Trage lag und von drei Helfern durch einen Krankenhausflur gerollt wurde, schnellte er auf und schubste einen der Pfleger zur Seite. Er strauchelte und knickte um, aber er ignorierte den heißen Schmerz, der ihm durch den Knöchel fuhr.
»Wo sind meine Frau und meine Tochter?«
Einer der Helfer trat auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Herr von Felthen, Ihre Angehörigen werden bereits versorgt. Sie können später mit den Ärzten reden.«
Unwirsch schob er die Hand beiseite. »Ich will auf der Stelle zu meiner Frau und meiner Tochter!«
»Das wird leider nicht gehen, Herr von Felthen. Ihre Tochter wird nach der Notfallversorgung ins Kinderspital Bern verlegt, der Hubschrauber steht schon bereit. Bitte gedulden Sie sich, bis der Arzt mit Ihnen spricht.«
Er folgte dem Pfleger in ein leeres Zimmer mit einem Einzelbett und setzte sich, wurde aber von einer Schwester gleich darauf gebeten, sich hinzulegen. Sie zogen ihm die Schuhe aus und die Schwester betastete seinen rechten Fuß.
Als Arno das nächste Mal zu sich kam, lag er mit einem Spitalhemd bekleidet im Bett, seinen Fuß zierte ein strammer Verband. Er wälzte die Beine aus dem Bett und stand auf, den rechten Fuß vorsichtig belastend. Als er merkte, dass er stehen konnte und der Knöchel nicht sonderlich schmerzte, ging er mit zaghaften Schritten auf den Wandschrank zu. Ordentlich zusammengelegt lag seine Kleidung im Fach. Hemd, Weste, Hose und Jackett hatte man auf Bügel gehängt. Er zog das Klinikhemd aus und ließ es auf den Boden fallen. Seine Unterwäsche trug er noch. Er nahm seine Socken und zog eine
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