Satans Erbe (German Edition)
nicht, dass du den Pool zuschüttest. Lisa schwimmt so gern und sie braucht die Bewegung.«
»Das hier ist mein Haus.«
»Natürlich, aber …«
»Ich habe Lisa schon davon unterrichtet.«
»Wie bitte?«
»Sie hat mir recht gegeben.«
»Ich kann es nicht fassen. Was hast du mit ihr gemacht?«
»Hüte deine Zunge, Benni. Ich habe ihr erklärt, dass es zu ihrem Schutz ist, weil ich nicht möchte, dass sie verunglückt. Sie hat es verstanden. Lisa hat gesagt, sie will nicht, dass ich wegen ihr auch so unglücklich werde wie wegen Petra und Lena.«
»Merkst du nicht, wie unnormal das für ein kleines Kind ist?«
»Lisa ist kein kleines Kind. Sie ist ziemlich weit für ihr Alter.«
»Ja, aber das ändert nichts daran, dass sie erst sieben ist.«
Das Gespräch ging noch weitere zwei Stunden, doch es führte zu nichts. Ohnmächtig musste Benni in den kommenden Tagen mit ansehen, wie die Bagger ihr Werk taten. Lisa zuliebe machte er gute Miene zum bösen Spiel. Er wollte sein kleines Mädchen nicht noch mehr verwirren und nicht in unnötige Gefühlskonflikte verwickeln.
40.
Hasloch
Bayern, Deutschland
August 1965
J örgs Gesicht verzog sich zu einer weitaus schlimmeren Fratze als sonst, während die Lederpeitsche im Rhythmus des Chorgesanges der Jünger auf seine nackte Rückseite klatschte und in dem düsteren Raum widerhallte. Kein Schmerzenslaut entwich ihm. Er war eins mit sich und dem Schöpfer.
Ich beneidete ihn darum. Jörg war durch die Vereinigung zu einem apodiktischen Anhänger erzogen worden, ein Mann, zu dem ich aufsehen konnte, meine Bezugsperson, mein Vertrauter, mein Lehrer – bis ich einer sein würde. Ich wusste, dass es wichtig war, ein Meister der Selbstbeherrschung zu werden. Ich war auf dem richtigen Weg, da war ich mir sicher. Ich war etwas Besonderes.
Wenn Jörg mich prügelte und beschimpfte, wallte in mir ungeheure Wut empor. Ich hasste ihn in den Momenten und es dauerte fast ein Jahr, bis ich darüberstand und es als reinigendes Ritual hinnahm. Das Beste war, das Jörg wirklich recht behielt. Ich ging seelenfroh und mit reinem Herzen aus den Läuterungen hervor. Außerdem war Jörg unendlich zartfühlend. Nach der gerechten Bestrafung nahm er mich in die Arme, wiegte mich, wie es meine Mutter früher getan hatte. Zumindest kam es mir so vor. Er strich mir über die Haare und die aufgeplatzten Hautstellen, so liebevoll, dass mir Tränen kamen.
Jeder, der Jörg ansah, blickte verschämt weg. Seine Fehlbildung an der Oberlippe zog sich bis zum rechten Nasenloch und seine sprießende Akne machte es nicht besser. Doch mir fiel sein entstelltes Gesicht nicht mehr auf. Bei unserer ersten Begegnung, nachts auf dem Burgfried, dachte ich, der Teufel persönlich käme mich holen.
»Bist du bereit?«
Ich zuckte zusammen. Selten war ich bei den Treffen unaufmerksam. Vielleicht lag es daran, dass Jörg mir seit Tagen in den Ohren lag, weil ich heute meine nächste Stufe erreichen würde. Er hatte sie vor zwei Jahren mit 16 abgelegt. Doch er war der Meinung, dass ich weiterentwickelt sei als er damals und schon jetzt den Ritus über mich ergehen lassen könne.
Ich blickte ihm am Kapuzenrand vorbei in die Augen. Dass er nackt und verschwitzt war, nahm ich wie durch einen Nebel wahr. Ich vermutete, dass er gegeißelt worden war, damit ich einen Rang der Verbindung, von vielen noch vor mir liegenden, erklimmen durfte – so war das eben, nichts geschah ohne Grund. Er wusste, wie sehr er mir schmeichelte. Ich neigte den Kopf: »So sei es!«
Wenn ich nur wüsste, was mich erwartete.
Wie es meine Pflicht war, legte ich Jörg sanft den schweren Mantel um die Schultern. Er verzog keine Miene. Später, schwor ich mir, würde ich mich ebenso liebevoll um seine Wunden kümmern, aber jetzt zitterten meine Hände. Ich verkrampfte die Finger unter dem Stoff. So weit kam das noch, dass ich allen zeigte, wie aufgeregt ich war.
Ich dachte, Jörg würde mich in eines der vielen Zimmer führen. Stattdessen knöpfte er mir den Umhang auf und entkleidete mich. Ich rührte keinen Gesichtsmuskel, als ich vor Anspannung eine Latte bekam. Die Jünger, kräftige Hünen, dicke Zwerge und spindeldürre Typen bildeten einen Kreis um mich und ich ging, wie sie es von mir verlangten, wie in Trance von einem Verhüllten zum nächsten. Jeder riss mir ein Haar aus, zündete es an, und während mich der Gestank umnebelte, wirbelten ihre Aufträge in meinem Kopf umher. »Sei der Machthaber!« »Setze deinen
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